Gibt es einen potenziellen Nachfolger für H.G. Francis?

  • Der unvergessliche Horspielautor Hans Gerhard Franciskowsky a.k.a. H.G. Francis
    verstarb, wie wir alle wissen, 2011.
    Was wäre die Hörspielwelt inkl. unserer Kindheit ohne seine Geschichten gewesen?

    Gibt es überhaupt einen potenziellen Nachfolger für ihn oder bleibt er unersetzlich.
    Wer meint ihr?

    Einmal editiert, zuletzt von Flori1981 (18. April 2016 um 18:49)

  • Als ein Vielschreiber, der sich noch dazu wie Franciskowsky problemlos in unterschiedlichen Genres zurechtfindet und sich immer schöne Geschichten ausdenkt, fällt mir spontan Andreas Masuth ein. Wobei sein Output, seit es Carsten Hermanns Maritim nicht mehr gibt, ja auch deutlich zurückgefahren ist.

  • Ach, natürlich gibt es das. Ich liebe Francis (bzw. seine Hörspiele) ja auch, aber bei dieser 'Vergötterung' (der war so gut, wird es das jemals nochmal geben?) werd ich nicht mitspielen. Klar war er gut, aber schlussendlich, genauso wie Frau Körting, jemand der seine Arbeit machte. Beide sehr gut, aber auch teilweise sehr schnell und da schlüpfte einiges an Fehlern durch. Und das muss man auch mal sagen dürfen. So perfekt war der / bzw die auch nicht.
    Den Namen Minninger werd ich jetzt mal nicht erwähnen ;) aber für mich sind z.B. Autoren wie Marc Gruppe (Gruselkabinett, Holmes), Balthasar von Weymarn (Mark Brandis) oder Marco Göllner (Dorian Hunter) Skriptautoren, die es sehr gut verstehen, aus Vorlagen das Beste für ein Hörspiel herauszuholen.
    Oder meintest du, Flori, mit deiner Frage eher einer der selber Geschichten schreibt, wie Francis mit seiner Gruselserie? Auch da gibt es Beispiele. Was die Vielseitigkeit eines Francis angeht würde ich mich da LarsH anschliessen was Masuth angeht (LarsH, der schreibt noch, die meisten der letzen Holmes - Die Neuen Fälle Hörspiele gehen auf sein Konto) oder vielleicht Marc Freund (aber auch nur weil ich in kurzem zeitlichen Abstand seine Mindnapping, Van Dusen, Bedford und Holmes hörte, und dachte - jo, der Mann hat durchaus eine breite Palette!).

  • Hans Gerhard Franciskowsky (so sein richtiger Name, Florian), hat mehr Dialogbücher geschrieben als auch nur ansatzweise ein anderer Autor. Da teilweise die Dialogbücher
    sehr kurzfristig fertig werden mussten wie er mir berichtete, sind auch mal kleine Fehler rein gerutscht. Aber was die kreative Seite, die Masse und vorallem die Art ein Hörspiel kurz und kompakt zu machen angeht, wird es keinen Nachfolger für ihn geben. Was nicht heißt das es keine anderen guten Dialogbuchautoren gibt oder gab. Einen Nachfolger gibt es aber nicht und wird es, wie auch im Fall Heikedine Körting, nie geben. Alles andere ist persönlicher Geschmack, hat aber nichts mit der Realität zu tun. Ich bin sehr glücklich mit ihm befreundet gewesen zu sein und mit ihm gearbeitet haben zu dürfen. Ich denke die aktuellen Dialogbuchautoren Marc Gruppe, Balthasar von Weymarn, Marco Göllner, Evelyn Boyd u. a.
    wissen das sie gut sind, würden aber nie an dem was Francis uns allen geschenkt hat, rütteln .

  • Ich könnte das was Thomas geschrieben hat noch mal mit meinen Worten wiedergeben,
    aber das macht wenig Sinn, denn in seinem Beitrag steht ja schon alles ...

    ... insofern, nein, es gibt keinen und es ist auch keiner in Sicht.



  • Prinzipiell ist jeder zu ersetzen. Die Frage ist nur, ob es überhaupt einen Nachfolger für H. G. Francis braucht. Francis hatte zweifellos ein großes Talent für das Schreiben kurzer knackiger Skripte, womit er perfekt den Hörgewohnheiten des damaligen Publikums und nicht zuletzt den Vorstellungen seiner Auftraggeber entsprach. Doch das Publikum ist über die Jahrzehnte immer anspruchsvoller geworden und verlangt heute deutlich mehr als noch von 20 oder 30 Jahren. Und zwar quer durch alle Medien.

    Wenn man sich Serien wie House of Cards, Game of Thrones oder The Walking Dead anschaut, denn wird einem schnell klar, wie massiv sich im Fernsehen das Erzählen in Serie in der letzten Zeit verändert hat. Natürlich gibt es sie immer noch, die einstündigen Serien (also inkl. Werbung, was netto 38 bis 42 Minuten ergibt) mit in sich komplett abgeschlossenen Storys. Aber das sind nicht jene Serien, die Fans wie Kritiker gleichermaßen jubeln lassen und als wegweisend gelten. Folgen und Staffeln übergreifende Plots oder zumindest ein roter Faden, der in sich mehr oder weniger abgeschlossene Storys miteinander verknüpft, sind heute das Maß der Dinge.

    Das Hörspiel geht inzwischen ähnliche Wege, wie die Audible-Produktionen, Perry Rhodan: Plejaden oder auch Oscar Wilde & Mycroft Holmes zeigen (um nur ein paar Beispiele zu nennen). Diesem Trend gegenüber stehen Sachen wie Mord in Serie oder auch die diversen Holmes-Serien, die auf abgeschlossene Geschichten setzen. Und das dürfen sie auch gerne tun, denn weiterhin gibt es dafür ein Publikum. Doch dem Hörspiel neue inhaltliche Perspektiven eröffnen, das tun andere.

    H. G. Francis hat sich seinen Ehrenplatz in der Geschichte des deutschen Hörspiel wie kaum ein Zweiter verdient. Einen Nachfolger für ihn wird es nicht geben, weil seine Art des Geschichtenerzählens zwar ganz klar ihre Zeit hatte, doch die ist nun einmal vorbei. Und seien wir ehrlich: Diejenigen, die uns heute als Autoren mit Hörspielen versorgen, machen unterm Strich gar keinen schlechten Job.

  • Game of Thrones geht auch 50 Minuten genau wie A-Team oder Knightrider. Klar sind das keine Einzelgeschichten bei got aber trotzdem gehen die Folgen knackige 50 Minuten.
    Die Hörspiele dauern heute nicht länger weil Sie durch die im Schnitt über 70 Minuten besser geworden wären sondern weil die Autoren langweiligen Kram drin lassen. Ich hab lieber 40-50 spannende Minuten am Stück statt 70 die sich ziehen wie Kaugummi.
    Die Zeit dafür ist nicht vorbei - viele können es nur nicht besser. Mark Brandis geht häufig auch 50-60 Minuten pro Folge. Das passt. Knackig und spannend. Besser so als 70 Minuten lang mit 10 Minuten langweiligem Gelaber dazwischen.
    Bei vielen aktuellen Hörspielen denke ich mir - ja ja, bla bla jetzt aber mal weiter ich guck doch nicht der Hobbit sondern möchte gut unterhalten werden :)

    mfg
    warbird

    Life is a journey not a destination.

  • Game of Thrones geht auch 50 Minuten

    Da gehen die Folgen mal 50 Minuten aber auch gerne mal 60-65 Minuten, das Schwankt ja doch schon hin und her. Genau wie bei den anderen genannten Serien House of Cards oder The Walking Dead.

    Ich denke bei Hörspielen reichen gute 60 Minuten, aber 45-50 sollten es schon sein.

    Langeweile ist der Zeitvertreib der Dummen. (Erhard Blanck)

  • Das Medium Hörspiel ist dafür gedacht, dass man Geschichten in 40-50 Minuten erzählt. Ich denke insbesondere an die Pioniere des Radiohörspiels. Und es ist eine Kunst Geschichten so zu erzählen. H.G. Francis war ein Profi und verstand etwas von dieser Kunst.

    Gute Geschichten brauchen manchmal mehr als 50 Minuten. Doch nicht jede Serienfolge (z.B. die drei???) muss über 70 Minuten lang sein. Früher waren es maximal 45 Minuten und die Geschichten hatten mehr Charme als heute. Ich denke dass ist ein gutes Beispiel.
    Wenn man 70 Minuten spannend füllen kann, dann ist das auch okay. Doch dies ist selten der Fall und haut bei Serien meist nicht dauerhaft hin.

    Also ich denek das gute Maß wären heute 45-60 Minuten und in Ausnahmefällen auch mal ein paar Minuten drauf.

  • Einen zweiten H.G. Francis wird es wohl nicht mehr geben.
    Francis verstand es einfach hervorragend, Geschichten auf ein gutes Maß zu kürzen.
    Auch bei Francis war sicherlich nicht jede Vorlage Gold, aber durch seine Umsetzung gelang es zumindest ein knackiges Produkt abzuliefern.

    Das ist auch ein Grund, warum ich kaum noch aktuelle Produkte kaufe.
    Selbst Groschengrusel-Vertonungen kommen mittlerweile mit einer Laufzeit von 70 min daher, ohne eine Geschichte liefern zu können, die der Laufzeit gerecht wird.

    BTW: Es ist schon verwunderlich, dass dem Hörspielhörer eine "Geiz-ist-geil"-Mentalität nachgesagt wird, und man sich über mangelnden Absatz beklagt, andrerseits aber die Gruselserie-CDs von Europa im gebrauchten Zustand 20-25€ erzielen.
    Einen Umstand, welchen man als Produzent evtl. mal kritisch hinterfragen sollte, und vielleicht auch sein Handeln danach ausrichten sollte.

  • Bin da ganz bei G.Walt insbesondere was die Drei ??? betrifft. Warum immer dieses unnötige aufblähen? Mich würde mal speziell zu den Drei ??? interessieren was Herr Minninger zu den ständigen Überlängen sagt. Muss das wirklich sein? Aber wahrscheinlich wünscht sich der Großteil der Hörer diese Überlänge.

    Aber davon ab, fällt mir niemand ein der Nachfolger von H.G. Francis sein könnte.

    Niemand kann so hart zuschlagen wie das Leben.

  • Ein altes Thema, das aber durch das Wiederaufleben der neuen Europa-Gruselserie aktueller denn je ist.

    Gibt es einen H.G. Francis Nachfolger bzw. wird es je einen geben?

    Mein Herz würde sich wünschen, dass wir wieder Autoren finden, die kurze, knackige und spannende Hörspiele aus dem Ärmel schütteln können. Aber mir fällt beim besten Willen niemanden ein, der praktisch in jedem Genre die Fähigkeit besitzt Hörspiele auf den Punkt bringend zu schreiben.

    Von daher sagt sagt mein Kopf Nein, gibt es nicht und wird es nicht geben. Auch, weil die Hörerschaft heute gewöhnt ist lange ausufernde Geschichten erzählt zu bekommen und weil die Medien, die heute hauptsächlich in Gebrauch sind gar keine Einschränkungen mehr brauchen. Früher hatte der Autor durch MC oder LP strikte Vorgaben, heute lassen Download und Streaming jedwede Laufzeit zu. Das tut manchmal der Geschichte richtig gut, weil man viel Hintergrundinfos erfährt und in die Geschichte eintauchen kann. Manchmal schadet es aber der Geschichte weil viel zerredet und unnötig in die Länge gezogen wird.

    Von daher würde ich letztendlich mit einem NEIN antworten.

    Wie Akita Takeo richtig über den Hörspieltalk von morgen schrieb:

    Solange es Leute wie uns drei gibt und wir hier schreiben, bleibt es hoffentlich bestehen. Noch lange! #top#

  • Dem würde ich zustimmen.

    Wobei es verwunderlich ist. Gerade in Zeiten nachlassender Konzentrationsspannen, sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen, wäre seine Kunst Geschichten auf den Punkt zu bringen doch gerade DIE Fähigkeit.

    Dieses so kurz wie möglich, aber so lang wie nötig ... es fehlt einfach.

    Vielleicht ist es aber auch ein Phänomen der Zeit. SciFi Watchman hat da nicht Unrecht. Der Erzählaufbau wird immer komplexer und vielschichtiger.

    Der Haken an der Sache ... nicht jede Geschichte verträgt das. Bei Burns, Brandis und anderen High End-Serien mag das angehen, aber wie will man derartige Erzählweisen auf z.B. ein Einzelhörspiel des Horror Trash-Genres übertragen?

    Dasselbe gilt für Jugendkrimis. Die Dialoge der ??? oder die Gangsterdialoge bei TKKG machen das Hörspiel nicht komplexer oder mehrschichtiger. Sie machen es nur länger.

    Vielleicht bin ich deshalb so ein Gloge-Fan. PW könnte man auch kürzer erzählen, aber Gloge nutzt die "Füllzeit" wenigstens, indem er sie mit skurillen Ereignissen und Figuren füllt, die zur Atmosphäre beitragen. Bei Minninger habe ich immer den Eindruck eines Zeilenschinders. Dialoge um der Dialoge willen.

    Ach Francis, du fehlst. *seufz*

  • Genau über diese Frage habe ich mir jetzt nach dem Hören der neuen Gruselserien-Folgen auch Gedanken gemacht.

    Auf der einen Seite würde ich sagen: "Nein, den gibt es nicht" (und schließe mich da argumentativ großteils meinen Vorrednern an). Andererseits stelle ich die These auf, dass solche Hörspiele heute aus mehreren Gründen nicht mehr funktionieren würden.

    Der erste Grund ist meiner Meinung nach, dass in den Francis'schen Folgen beinahe jeder gesprochene Satz eine wichtige Bedeutung hatte. Es gab nahezu nie einen Leerlauf oder (sinnlose) Dialoge, die die Handlung nicht voran bringen. Heute neigen aber viele Leute dazu (zumindest beobachte ich das so), sich durch Filme und auch Hörspiele eher berieseln zu lassen, anstatt sich wirklich auf diese einzulassen, wozu es auch gehört, sich auf die Handlung und das Gesprochene über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren.

    Der zweite Grund liegt darin, dass vielleicht auch die Labels sich nicht mehr trauen, so - für heutige Verhältnisse doch sehr kurze - Hörspiele zu veröffentlichen. Kaum ein Hörspiel ist heute kürzer als 60 Minuten, selbst die drei ??? liegen bei so ca. 70 Minuten und vom Großteil der Audbible-Produktionen braucht man erst gar nicht anzufangen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Labels es einerseits als nicht mehr zeitgemäß erachten, so kurze Hörspiele herauszubringen und andererseits auch die Kritik der Konsumenten fürchten (à la "Frechheit, hier zahle ich für 35 Minunten 8€ und bei Hörspiel XY mit 80 Minuten Laufzeit nur 7€!").

    Zu guter Letzt könnte ein weiterer Grund im Rhythmus liegen, in dem bei den meisten Hörspielserien heute neue Folgen erscheinen. Ich gebe zwar offen zu, dass ich (auch bedingt durch mein Alter :D ) nicht weiß, wie der Veröffentlichungsrhythmus in den 80ern/frühen 90ern war, aber es erscheint mir logisch, dass eine kürzere Laufzeit sogar mit einem Mehraufwand beim Schreiben des Skripts einhergeht. Denn: Man darf es sich in diesem Falle wirklich nicht erlauben, unnötige Sätze in dieses zu übernehmen, jeder Satz und jedes Geräusch hat eine Bedeutung. Von außen betrachtet erscheint es mir deswegen in 60+ Minuten-Hörspielen insofern leichter, ein Skript zu schreiben. Existiert zudem eine Buchvorlage, kann man auch einfach mal einen Satz oder mehrere übernehmen (siehe Minninger bei den drei ??? sehr oft und sehr ausführlich). Ich bin allerdings kein Skripautor und möchte hier auch niemanden zunahe treten, war nur so ein Gedanke.

    #roll# "Worte, nur Worte nur Worte..." #roll#

  • Liest sich nachvollziehbar.

    Wobei Francis mal in einem Interview zugab, seine Scripte oft unter Zeitdruck zusammengeschustert zu haben. Aber das war dann wohl sein Talent. Sofort zu wissen "Was will ich?" und dann entsprechend die Geschichte zu vertexten.

  • Ich sage ja immer, jeder Autor hat seine persönliche Handschrift.
    H.G. Francis hat für mich eine unglaubliche und wohl auch einmalige Begabung gehabt, Geschichten in kürzester Zeit so dicht erzählen zu können. Seine Hörspiel Umsetzungen liebe ich auch heute noch.
    Ich finde, @kai1992 hat es super analysiert und auf den Punkt gebracht.
    Sehe es ähnlich, selbst wenn noch jemand kommt, der dies auch drauf hat, bleibt die große Frage, ob solche Hörspiele in der heutigen Zeit überhaupt angenommen würden? Der Trend geht einfach zu langen und möglichst originalgetreu an der Vorlage liegenden Erzählungen. Leider wird oft übersehen, dass dies halt nicht immer die beste Wahl ist.
    Allerdings bin ich der Meinung, dass beides, lang oder kurz zu Erzählen, gleich schwierig sein wird. Ob kurzes oder langes Hörspiel, entscheidend ist für mich nur, wie es erzählt wird und ob die Vorlage die eine oder andere Form überhaupt hergibt. Es darf weder gehetzt, noch langweilig in meinen Ohren ankommen.

  • @hoerspielkassette: Ja, da hast du natürlich Recht mit deinem letzten Satz. Das ist ein wichtiger Punkt, den ich vergessen habe. Die Vorlage muss die "Knackigkeit" natürlich auch hergeben, ansonsten fehlen wichtige Elemente. Das ist einer der Gründe, warum mir z.B. einige der Klassikerfolgen bei den drei ??? gar nicht sooo besonders gefallen, weil es - die Machart in allen Ehren - doch immer wieder Logiklücken gibt.

    #roll# "Worte, nur Worte nur Worte..." #roll#

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