Folge I – Der Tag als Streaming die CD als Hörspielmedium Nummer 1 ablöste
Was nicht bedeutet, dass die CD akut vom Aussterben bedroht ist, wie ich schon desöfteren dozierte, das Rieplsche Gesetz gilt auch hier. Und erst recht bei den drei Detektiven aus Rocky Beach, die es weiterhin als MC, CD und gelegentlich auch als Vinyl geben wird, weil der (Sammler-)Markt dafür gegeben ist.
Aber die analoge Welt geht bedeutungstechnisch mit der digitalen Frühlingsoffensive des immer noch relevantesten Hörspiellabels zu Ende. Und eines muss man sagen, so wie Europa die Eroberung dieses neuen Mediums durchgezogen hat, das ist schon blaupausengeneralstabsmäßig.
Nicht dass man nicht von Anfang an dabei gewesen wäre. Man war zwar nicht ganz vorne, diese Ehre gebührt ganz eindeutig “Offenbarung 23”, dem Vorreiter, der sich eine breite Fanbasis geschaffen hat, als der Rest der Hörspielwelt erst einmal Ruhe bewahrt hat. Europa war frühzeitig dabei und hat viele Strategien ausprobiert. Sachen wurden reingestellt, rausgenommen, kräftig beworben oder kommentarlos bereitgestellt. Mit einer Serie aus der zweiten Reihe, “Fünf Freunde”, hat man den ersten großen Testballon gestartet und bei Spotify kräftig Werbung in eigener Sache gemacht. Und da nirgendwo sonst auf diesem Planeten Werbung so zielgerichtet auf die Zielgruppe abgeschossen werden kann wie bei den Streamingdiensten, dies auch mit vollem Erfolg. Follower- und Hörerzahlen von “Fünf Freunde” erreicht binnen weniger Tage Wachstumsraten, die es kein zweites Mal zu bewundern gab. Bis heute.
Ansonsten hielt man die Zugpferde und Cashcows noch zurück. Eile hatte man nicht, warum auch, man verdiente sich damit ohnehin d&d. Natürlich war klar, dass TKKG und DDF plus Spinoffs kommen werden, aber wo, wie und wann? Meine Theorie war, dass man erst einmal auf Apple Music wartet, weil die natürlich die größten Incentives zahlen können. Das ist nicht passiert, Apple hat zwar DDF gleich reingestellt, aber ohne Zustimmung von Europa.
Nun hat man sich dazu entschieden, dass man voll reinholzt auf allen Kanälen. Bei TKKG hat man mit Deezer noch ein kleinen Exklusivitätsdeal gemacht, aber bei DDF einfach alles auf einmal rausgeknallt und niemanden bevor- oder benachteiligt. Auch wenn man bei Napster und Apple für den einzelnen Hörer mehr bekommt, die Masse ist halt bei Spotify.
Damit habe ich nicht gerechnet, aber die Strategie ist nachvollziehbar.
Ebenso clever die Veröffentlichungspolitik, zehn Folgen sofort, ab dann jeden Freitag fünf weitere. Bis der Katalog komplett veröffentlicht ist, erzieht man sich die Hörer dazu, brav jede Woche fünf Folgen zu hören. Für die Konkurrenz ist das etwas nervig, bisher war der Freitag ja für den Vertieb von Highscore und deren wöchentliche Hörspielpackung reserviert. Ob man sich da jetzt einen anderen Tag sucht, den Donnerstag zum Beispiel?
Viele Alteingesessene sind in der neuen Welt noch nicht angekommen, das beweisen Sätze wie “ob es einen merklichen Rückgang der CD-Verkäufe geben wird?”. Selbstverständlich wird es den geben und die CD wird zukünftig den Stellenwert haben, den die MC jetzt hat. Für Sammler weiter zum physischen Einkauf bereitgestellt, aber das ganz große Geld wird an anderer Stelle verdient.
Für den Hörer ist die Frage, ob Europa zukünftig statt drölf Millionen drölfquadrat Millionen mit seinen Hörspielen verdient, irrelevant. Interessanter ist da schon die Frage, ob die neuen Folgen zukünftig dann zeitgleich mit der CD/MC/Download veröffentlicht werden. Meine Prognose lautet ja. Denn Europa ist ja ein Label, das auch zuletzt wirklich noch in großem Ausmaß Geld an die Piraten verloren hat. In den Börsen(nachfolgern) und auf den Kokosnussinseln waren die Hörspiele bis gestern noch der verbliebene große Renner. Insgesamt angesichts der bombigen Verkaufszahlen kein großes Problem, aber ich denke, dass man sich auch diese Umsätze zurückholen will. Und dafür muss man halt für die Ungeduldigen sofort liefern.
Auch wenn ich demnächst sicherlich wieder in alte und neue DDF-Folgen reinhören werde, mehr interessiert mich bei dieser Geschichte die Entwicklung der Hörspielszene an sich. Ich bin extrem gespannt auf wie viele Hörer der Superpapagei in diesem Monat kommen wird, wo ist die Decke? Bei einer niedrigen sechsstelligen Zahl oder erst bei einer halben Million? Für alle anderen Hörspielmacher gilt es nun, sich ihr Stück vom Kuchen zu sichern. Die neuen Hörer (vermutlich hören ja zwei Drittel aller DDF-Hörer nur DDF und ignorieren die übrige Hörspielwelt) sind jetzt auf dem Silbertablett serviert, jetzt müssen sie abgeholt werden. Am einfachsten geht das natürlich über Werbung bei Spotify für die DDF-Hörer, aber auch mit einer gut gemachten Präsenz dort kann man sicherlich punkten, ebenso mit Social-Media-Aktivitäten. Mal sehen, ob sich ein Label hier jetzt hervortut oder ob es weiter nur heißt, dass die kleine Nische bald ausstirbt und kein Geld da ist.
Neu erfinden muss sich freilich auch die freie Szene, der Wettbewerbsvorteil der freien Verfügbarkeit ist jetzt weg. Aber die halte ich durchaus für anpassungsfähig genug.
Spannende Zeiten hatten wir vorher schon, jetzt werden sie noch spannender!