'Belle Starr' ist ein Hörspiel von Anne M. Keßel. Damit widmet sie sich nach 'Anne Bonny' und 'Boudicca' erneut einer historisch verbürgten Frauenfigur, diesmal einer Banditin im sogenannten Wilden Westen. Man hätte erwartet, dass dies nach den beiden genannten Produktionen die dritte Staffel von 'Furchtlos' wird, aber stattdessen ist es ein Zweiteiler in radiotypischer Länge von jeweils gut 50 Minuten geworden.
Das Hörspiel glänzt mit einem tollen Ensemble unverbrauchter Stimmen. Die Musik von Julia Klomfaß lässt Western-Feeling aufkommen. Regisseur Martin Zylka hat schon des öfteren mit dieser Komponistin zusammengearbeitet. Man versteht, warum: Die Musik wirkt zugleich atmosphärisch und originell. Prima. Loben kann man Geräusche und Soundkulissen, die hochwertig klingen und stets eindeutig zugeordnet werden können.
Was an der Produktion am meisten überrascht, ist der hohe Humor-Anteil. Belles Starrs Lebensgeschichte ist ja eher dramatisch und eine Tragödie, dennoch gibt es auch einiges zu schmunzeln. Die stets gleich klingenden Sexszenen mit unterschiedlichen Partnern seien hier als ein Beispiel genannt.
Dialoge und Szenenfolgen sind eigentlich so gut, dass es keine Erzählerin gebraucht hätte. Dennoch hat man sich entschieden, dass Belle ihre Geschichte aus dem Jenseits selbst erzählt. Dies hat seine Berechtigung, wenn sie die Geschehnisse oder auch die Zeit,in der die Handlung spielt, kommentiert. Dennoch wirkt es merkwürdig, wenn uns Belle umrechnet, wieviel eine Beute von 70.000 Dollar heute in Euro wert wäre. Und es gibt weitere 'Mätzchen', über die man sich streiten kann. Einmal wird z. B. in der Handlung zurückgespult, weil den Hörer*innen eine wichtige Information vorenthalten wurde. Oder der Disclaimer am Anfang der Folgen, der in breitester 'Western-Sprache' daherkommt. Man kann das natürlich alles toll finden, aber für mein Empfinden hat es den Gesamteindruck eher gestört.
'Belle Starr' ist dennoch ein gutes Hörspiel mit hohem Unterhaltungswert. Es ist aber halt ein wenig 'zwischen den Stühlen' angesiedelt: Kein wirkliches Abenter-Hörspiel, trotz einiger humoristischer Einsprengsel keine Komödie, dem tragischen Ende von Belle und ihren Kindern zum Trotz kein Drama. Obwohl die Handlung im Wilden Westen spielt und insbesondere den Umgang der Siedler mit den indigenen Völkern nicht ausspart, ist es dennoch kein Historien-Drama. Und leider auch kein Loblied auf Freiheit und Frauenpower, wie es insbesondere 'Anne Bonny' war. So fragt man sich am Ende doch, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn man das Ganze klarer zugeordnet hätte. Es wäre auf diesem Weg sicher einiges mehr an Wirkung möglich gewesen.
Spaß macht das Hörspiel natürlich trotzdem, und das wirklich nicht zu knapp.