Existenzangst bei Vorleser*innen

  • Einen Post fand ich heute auf der großen Berufs-Poserplattform (lang ist‘s her, dass es dort mal wirklich ums Netzwerken ging), der mich sehr nachdenklich macht.

    Fast alle, die mit dem Sprechen ihren Lebensunterhalt verdienen, machen sich Sorgen über KI: werden wir bald ersetzt durch künstliche Stimmen? Ich versuche, ihnen die Sorge etwas zu dämpfen, indem ich darauf hinweise, mit welchen Dingen sie punkten können, die KI auch in weiterer Zukunft nicht bringen kann. Aber es hilft ihnen nicht wirklich. Im Sektor Hörbuch, insbesondere beim Sachbuch oder wenig komplexer Literatur sehe ich die Wahrscheinlichkeit groß, dass Label die Studio- und Sprecher-Arbeitsstunden gegen ihr Azure-Abo durchkalkulieren. Außerdem, so wird es heißen, merkt‘s keiner, und „die Hörer wollen ja eh nur billig und viel“.

    Im Posting sehe ich den Drive, als „erfolgreich“ und „modern“ wahrgenommen zu werden. Und das heißt auch „ich nutze KI bereits“ (hier erstmal zum Malen, aber das weitet sich bereits massiv aus).

    Wie seht Ihr das? Ehrlich: würde es Euch stören, wenn Ihr in fünf Jahren erfahrt, dass — erfundenes Beispiel — die neue King-Nathan-Lesung doch mit Stimm-Mustern von David statt nach einer guten Woche Sprachaufnahmen mit ihm erstellt wurde?

    Wenn ja, warum?

    Wenn nein, warum nicht?

  • würde es Euch stören, wenn Ihr in fünf Jahren erfahrt, dass — erfundenes Beispiel — die neue King-Nathan-Lesung doch mit Stimm-Mustern von David statt nach einer guten Woche Sprachaufnahmen mit ihm erstellt wurde?

    Das würde mich nicht nur stören, ich würde mich regelrecht betrogen fühlen. Zumindest, wenn zuvor der Eindruck erweckt wurde, es lese David Nathan selbst.

    Es wird vermutlich so kommen, dass wir eines Tages grandiose Lesungen von KI auf die Ohren bekommen, die ebenso berührend, tiefgründig und mitreißend sind wie es menschliche Lesungen sein können. Und trotzdem ist das zu deklarieren.

    Ein vielleicht etwas schräger Vergleich: Wenn mir eine Firma verspricht, ein Lebensmittel sei 'bio' und am Ende stellt sich heraus, dass alle Zutaten aus konventioneller Landwirtschaft und Massentierhaltung stammen, ist das Betrug. Nicht, weil es nicht geschmeckt hat, sondern weil ich es unter anderen Voraussetzungen, die mir vielleicht wichtig sind, gekauft habe. Und so sehe ich das beim Einsatz von KI auch. Es wird vermutlich anders kommen, aber Stand heute wäre ich mit einem Verlag, der das macht, fertig. Wenn es aber von vorneherein klar benannt wurde, dass eine KI liest, würde ich dem vermutlich schon eine Chance geben.

    Nicht jeder Verkannte ist ein Genie. (Walter Moers)

  • Wie seht Ihr das? Ehrlich: würde es Euch stören, wenn Ihr in fünf Jahren erfahrt, dass — erfundenes Beispiel — die neue King-Nathan-Lesung doch mit Stimm-Mustern von David statt nach einer guten Woche Sprachaufnahmen mit ihm erstellt wurde?

    Wenn ja, warum?

    Wenn nein, warum nicht?

    Wenn das im Vorfeld nicht klar kommuniziert werden würde, fände ich das nicht nur störend, sondern sogar Betrug.

    Wenn man weiß, dass es sich um eine KI Stimme handelt und der Sprecher auf dem die Stimme beruht sein OK dafür abgibt, kann man das sowieso nicht ändern. Solange das dann klar kommuniziert wird und die Qualität stimmt.. warum nicht.

  • Sehe ich genau so! Man möchte dass was man gekauft hat auch hören. Klar!


    Generell würde ich der KI eine Chance geben und mir das Hörbuch anhören, wenn mich das Thema interessiert.

    Wie Akita Takeo richtig über den Hörspieltalk von morgen schrieb:

    Solange es Leute wie uns drei gibt und wir hier schreiben, bleibt es hoffentlich bestehen. Noch lange! #top#

  • Hallo zusammen,

    ich sehe darin Gefahren und Möglichkeiten.

    Positiv würde ich es z.B. finden, wenn zukünftig praktisch alle Texte mit einem Klick vorgelesen werden könnten - und nicht nur mit einer Alexa-artigen "Roboterstimme", sondern durch KI eben sehr natürlich, betont, angenehm und interessant. Vorteile sehe ich da z.B. für Menschen, die nicht sehen / lesen können oder die sich z.B. beim Studium bei Sachbüchern besser in eine Materie einarbeiten können, weil sie vom Lerntyp her Informationen besser durch die Ohren aufnehmen. Es würde ja sowieso bei weitem nicht jeder Text von echten Menschen eingesprochen werden, insofern ergeben sich daraus keine Nachteile.

    Ebenfalls interessant fänd ich es, wenn z.B. nach dem Tod bzw. dem Ruhestand von Sprechern Serien fertiggestellt / zu einem runden Abschluss gebracht werden könnten oder Werke noch nachbearbeitet werden könnten, weil man eben über KI auf die Stimmen zugreifen könnte. Voraussetzung wäre aus meiner Sicht aber das Einverständnis der betroffenen Personen zu Lebzeiten - was man in der Branche vielleicht mal stärker ins Auge fassen sollte. Wie ein Organspendeausweis. ;)

    Kritischer sehe ich die Grundsätzliche Weiterverwendung von Stimmen nach dem Tod für neue Projekte. Auch das fänd ich OK, wenn jemand sein Einverständnis dafür gibt, als Hörer möchte ich persönlich aber eher, dass sich das in Grenzen hält.

    Und das allgemeine Ersetzen von echten Stimmen durch künstliche gefällt mir weniger - zum einen wegen der Menschen, die in dem Bereich arbeiten, aber auch als Hörer möchte ich nicht nur von KI umgeben sein. Mir würde da die menschliche Komponente fehlen, das Ehrliche, Echte dahinter. Klar, wenn die Technik voranschreitet, wird man es vielleicht irgendwann gar nicht mehr bemerken, inkl. der kleinen Fehler und Besonderheiten, die Menschen halt haben.

    Insgesamt sehe ich für die Zukunft nicht völlig schwarz. Zeiten ändern sich, Technik verbessert sich und es wird auch in dieser Branche Änderungen geben, so wie es sie früher auch schon gegeben hat. Allerdings glaube ich nicht an ein völliges Ersetzen der Menschen. Gerade da, wo es um Kunst geht, wollen die Konsumenten doch auch immer den menschlichen Aspekt. Film ist toll, aber ein Theaterstück live zu sehen (auch wenn es quantitativ seltener geschieht), ist einfach ein anderes, intensiveres Erlebnis. Und einen animierten Film zu sehen, hat seine eigenen Vorzüge, aber größtenteils wollen wir doch echte Schauspieler sehen. Und beim Hören ist es im Prinzip genauso. Klar freuen wir uns über gut gesprochene Rollen, aber es ist doch immer wieder ein besonderes Erlebnis, wenn wir einen Sprecher wiedererkennen, sei es aus anderen Hörspielen, aus Synchronsprecherrollen oder aus Filmen, in denen er Schauspieler war.

    Dieser menschliche Aspekt hat erstmal nichts mit der reinen Rolle zu tun, hat aber eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Man kennt den Effekt, dass Menschen wegen eines Schauspielers einen Film ansehen. Und im Hörspielkosmos gibt es auch einige Namen, die für uns Hörer von großer Bedeutung sind. Das Duo Rode und Groeger hat mein Herz bei Sherlock Holmes gewonnen (und da bin ich nicht der einzige...) - das hat das ganze Hörerlebnis auf ein ganz anderes Niveau angehoben. Die Begeisterung für diese Menschen hat mich irgendwann dazu gebracht, zu recherchieren. Wer sind sie? Wo kann man sie noch sehen und hören? Ich habe Interviews angesehen / gehört. Und als sie verstarben, war ich sehr traurig, obwohl ich sie nie im Leben persönlich getroffen oder auch nur aus der Ferne gesehen habe. Dieser rein menschliche Aspekt kommt zu anderen Komponenten wie Skript, Soundeffekte etc. dazu. Ich glaube nicht, dass das durch KI ersetzt werden kann, sollte und wird.

  • Eine Sorge, die auch Autoren umtreibt. Mich persönlich allerdings nicht, dazu bin ich a) als Autor zu unbedeutend und b) ist es ja auch (leider) nicht mein Hauptjob.

    Aber nachvollziehen kann ich die Sorgen schon.

    http::olis-weite-welt-des-wahns-blogspot.com

    Es war mit Sicherheit nicht richtig - doch es war einzig und nicht artig!

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