Die Hörspielcommunity hat sich in den letzten Jahren sehr oft mit der Marktsituation beschäftigt. Viele Diskussionen enden damit, dass man den den wirklich wahren Schuldigen finden möchte. Gibt es aber einen "Schuldigen", auf den wir mit unseren Fingern zeigen können?
Auf den ersten Blick ist der Schuldige schnell gefunden - die Raubkopierer sind es, ganz klar. Verlage wie LÜBBE, die Serien reihenweise einstampfen mussten, nennen als Grund gerne die Fraktion der Raubkopierer. Unsere Generation (End-Dreissiger) hat mit C64 und AMIGA 500 die Raubkopiererei erst einmal gesellschaftsfähig gemacht. Mit dem Untergang dieser Computer mussten wir mit ansehen was passiert wenn geistiges Eigentum nicht mehr gekauft sondern nur mehr illegal verbreitet wird. Raubkopieren ist ein Verbrechen, aber trägt es die alleinige Schuld für die aktuelle Situation? Aus meiner Sicht darf man sich diesem heiklen Thema nicht mit "schwarz weiß" Denken sondern etwas differenzierter begegnen. Sogar einige namhafte Labels haben in Interviews den Schwarzen Peter nicht mehr alleine den Raubkopierern zugesteckt. Die Gruppe der Nichtkäufer ist um ein Vielfaches höher als die der Raubkopierer. Trotzdem werden diese selten bis gar nicht als Schuldige genannt....
Weitere Schuldige, die gerne in solchen Diskussionen angeführt werden sind
- die Gruselhörspiele - sie überschwemmen den Markt, haben für viele eine zu geringe Qualität und sorgen dafür, dass andere Hörspielgenre keine Chance haben Fuss zu fassen. Kann aber ein erfolgreiches Genre wirklich Schuld an einer schlechten Marktsituation haben?
- die Kassettenkinder - noch immer haben die Nostalgiker und Kassettenkinder in den Foren die Überhand. Sie verweigern sich gerne neuen Medien und neuen Hörspielkonzepten und sorgen in den Augen vieler dafür, dass sich das Hörspiel nicht weiter entwickeln kann und ein Stillstand vorherrscht. Ist es aber nicht positiv, dass unser Hobby auf eine alteingesessene Basis zurück greifen kann? Oder zählt das "gestern" heute gar nichts mehr?
- ??? - Wer kennt sie nicht, die erfolgreichste Hörspielserie der Welt. Die ??? sorgen für Verkaufszahlen von denen andere Labels nur träumen können. Kritiker befürchten, dass die Dominanz der drei Detektive für ein falsches Bild vom Hörspielfan in der Öffentlichkeit sorgt. Hörspiele werden nur als Kinderspielzeug wahrgenommen. Dass es auch ernstzunehmende und erwachsene Hörspielserien gibt, weiß hier zu Lande fast niemand. Ist es aber auf der anderen Seite nicht auch schön, dass wir einen Branchenprimus haben, der trotz großer Konkurrenz anderer Freizeitbeschäftigungen nach wie vor Monat für Monat auf sich aufmerksam machen kann?!
- mangelnde Qualität - einige Hörspielfans sehen in der niedrigen Qualität der Hörspiele die Ursache dafür, dass zu wenige Hörspiele insgesamt verkauft werden. Pure Unterhaltungskost ist ihnen zu wenig. Sie wollen intellektuelles Hörkino, dass man nicht "neben bei" sondern ausschließlich nur konzentriert, alleine und ohne anderer Betätigung daneben hören muss. Würde sich aber das Hörspiel an sich nicht seiner Seele rauben, wenn man die Vorzüge des Hörspiels, nämlich dass man Hörspiele hören und dabei mobil, unterwegs und aktiv sein kann, verhindern würde?! Abgesehen davon sind die Geschmäcker jedes einzelnen unterschiedlich und was für den einen schlecht, ist für den anderen sehr gut. Hier ist es oft sehr schwer auf eine übereinstimmende Meinung zu kommen.
- Hörspielfans - sie loben, sie kritisieren, sie leben mit ihren Hörspielen und mit den Hörspiellabels mit. Sie kaufen aus reinem Sammlerzwang, auch dann noch, wenn ihnen die Serie schon längst nicht mehr gefällt. Oder sie haben die rosarote Fanbrille auf und nehmen vieles was schief läuft gar nicht mehr wahr. Oder ihre Begeisterung schlägt in Wut um und sie kritisieren in Forenbeiträgen Labels und Hörspielserien zu heftig. Hörspiellabels können oft nicht mit, aber auch nicht ohne sie sein. Aber können Fans alleine einer ganzen Branche schaden? Ist es nicht auch schön für Labels zu wissen, dass jemand da ist, der sich für sie interessiert, der hinter ihnen steht und auch die eine oder andere Unzulänglichkeit verzeiht?
- Hörspiellabels - manche treten zu eifrig mit ihren Fans in Kontakt, sodass bald die emotionalen Fetzen fliegen. Manche verweigern im Gegenzug jede Information und jeden Kontakt mit den Käufern ihrer Hörspielserien. haben sie es alleine in der Hand ob ein Hörspiel Erfolg hat oder nicht?
Das waren jetzt nur einige der möglichen Ursachen für die aktuell von einigen nicht sehr zufriedenstellende Marktsituation. Ich für mich bin zu dem Schluss gekommen, dass niemals einer alleine die Schuld tragen kann. Es sind viele kleine Mosaikstückchen, die zusammen das Bild der Branche widerspiegeln. Es mag für den einen oder anderen kein sehr schönes Bild sein. Für mich, der ich die fetten Jahre in den 80igern und die mageren Jahre in den 90igern miterleben durfte, ist es ein durchaus gelungenes und schönes Bild. Zugegeben einiges könnte besser laufen, aber wenn ich lese, dass wir im August 40 Neuerscheinungen zu verzeichnen hatten, dann kann es um unser tolles Hobby nicht zu schlecht bestellt sein. Es stellt sich mir dann nur die Frage, wer hat denn nun wirklich Schuld, dass wir Hörspielfans eigentlich jedes Monat ziemlich aus dem Vollen schöpfen können? Sind dafür auch die hier oben angeführten Gründe beteiligt?
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