HÖRSPIELKOLUMNE „GEDANKEN EINES HÖRSPIELFANS 5/2023“ „Durchschnitt“ ist das neue „schlecht“

  • Ich habe im Laufe der Zeit den Eindruck gewonnen, dass wir alle samt kritischer geworden sind. Ich möchte mich da keinesfalls raus nehmen.

    Wenn man heute von einem Hörspiel schreibt, dass es einem durchschnittlich gefällt und dabei auch die Gründe warum und wieso dies der Fall ist, aufzählt, dann wird dies meistens von den Lesern und Leserinnen wie auch von den Kreativen nicht als „Durchschnitt“ erlebt, sondern als Verriss.

    In der heutigen Zeit scheint es so zu sein, dass alles megasuperspitzentoll sein muss. Wir sind auch nicht mehr bereit „nur“ mehr ein durchschnittliches Hörspiel zu hören. Da kommt dann sehr oft das Argument der „verschwendeten Lebenszeit“, als ob nicht auch ein durchschnittliches Hörspiel Facetten aufzuweisen hat, die durchaus wunderbar und schön anzuhören sind und unterhalten können. Wir wollen jedoch nur perfekt unterhalten werden und gehen auch mit dieser Einstellung ins Hören. Klar wird man dann auch öfter mal enttäuscht oder traut sich nicht mehr einem Hörspiel länger als 10 Minuten zu lauschen, wenn einem der Anfang nicht zusagt. Der Überfluss an Hörspielen, die wir mit einem Klick in den 20igern hören können, tragen hier sicherlich eine Mitschuld.

    Von daher ist wohl ein „gutes Hörspiel“ der „neue Durchschnitt“ und „Durchschnitt“ das „neue Schlecht“…

    Über Kommentare in Form von Postings, PMs oder Emails würde ich mich freuen! #winkewinke#

    Wie Akita Takeo richtig über den Hörspieltalk von morgen schrieb:

    Solange es Leute wie uns drei gibt und wir hier schreiben, bleibt es hoffentlich bestehen. Noch lange! #top#

  • Bleibt die Frage, ob wir wirklich so viel mehr kritischer geworden sind? Als wir uns früher Hörspiele nur kaufen konnten, waren wir da nicht sogar noch um einiges kritischer als heute? Nicht jedes Portemonnaie war üppig gefüllt, nicht jeder war ein Sammler und oft wurden harte Entscheidungen getroffen, welches Hörspiel auf die Einkaufsliste landet. Wurden da dann nicht sogar versucht die durchschnittlichen Hörspiele noch eher zu meiden? Schließlich war der "Durchschnitt" mit Geld verbunden. Heute ist dies nicht mehr so, durch den Stream haben wir nun überhaupt erst richtig die Möglichkeit uns ganz gar auch auf das durchschnittliche Hörspiel einzulassen und ich denke dies wird mittlerweile (zumindest draußen, außerhalb des Forums) öfter gemacht als all die Jahre zuvor. Kostet ja nix mehr, außer Zeit. Und da kommt natürlich auch wieder das Alter ins Spiel. Je älter, desto kostbarer die Zeit, desto eher machen "ältere" Hörer/innen wohl dann einen Bogen um durchschnittliche Hörspiele.
    Auf mich betrachtet... JA, auch ich rutsche immer mehr in die Betrachtung, dass die Lebenszeit nicht unendlich ist und will daher viel lieber knaller Hörspiele, statt Durschschnitt. Ich bin daher von vielen neuen Serien im Stream abgesprungen, wohl mit der Zeit wieder wählerischer geworden und meine Bewertungsskale hat sich auch etwas verschoben. Bei mir ist also wirklich eher die "Zeit" der Grund dafür. Trotzdem bin ich immer noch so eingestellt, dass ich sehr viel neues im Stream anteste und dies macht mir auch weiterhin viel Spaß. Ich bin einfach kein Mensch, der sich auf Grund von durchschnittlichen Hörspielen nur noch auf die Klassiker zurückzieht. Die Mischung machts für mich einfach und da darf dann ruhig auch ein gewisser Durchschnitt dabei sein.

  • Ich verstehe die Argumentationskette nicht so ganz. Woran macht man denn fest, ob etwas Durchschnitt ist oder nicht?
    Generell ist natürlich die Produktionsqualität deutlich angestiegen, aber was für den einen unterhaltsam ist (ich nenne jetzt als Beispiel aufgrund der Menge mal die Maritim-Zd7-Serien), ist für die anderen nur belangloser Kram.

    Ich beschäftige mich auf der Arbeit und im Alltag mit so vielen langweiligen und nervigen Sachen, da möchte ich unterhalten werden und nicht irgendeinen tieferen Sinn suchen.

  • Woran macht man denn fest, ob etwas Durchschnitt ist oder nicht?


    Ich glaube, dies ist alles eine sehr individuelle Betrachtung in welchem Bereich der Skaler ein "durchschnittliches" Hörspiel liegt und wo ein "megasuperspitzentoll" Hörspiel startet.

    Generell ist natürlich die Produktionsqualität deutlich angestiegen, aber was für den einen unterhaltsam ist, ... ist für die anderen nur belangloser Kram.


    Wenn man es mit früher vergleicht, ist die Produktionsqualität der Hörspiele im Durchschnitt wirklich deutlich gestiegen. Das Technische macht für mich aber nur einen Teil des Hörspiels aus. War auch früher schon so, als ich die (auch damals eigentlich bereits technisch veralteten) TSB John Sinclair und Jerry Cotton Hörspiele mit viel Begeisterung gehört habe, trotz Mono und verrauschtem Klang. Heute haben auch "durchschnittliche" Hörspiele oft einen bombastischen Sound und tolle Sprecher. Für mich ist aber auch die Story und Umsetzung entscheidend. Oft fällt mir heute auf, dass man sich leider zu wenig an das "Kürzen" traut. Ich brauche beim Hörspiel nicht zwingend ein 1:1 Umsetzungen, dafür gibt es Hörbücher. Auch sind Lizenzstoffe sehr viel weniger geworden. Mittlerweile beglücken uns dafür gefühlt hunderte von Sherlock Holmes Hörspielserien, was ich persönlich langweilig finde. Manchmal würde ich mir wieder mehr neue Ideen in der Hörspielszene wünschen, Geschichten die wirklich packen und meine Ohren nicht mehr vom Lautsprecher lassen.

  • Für mich gibt es schlecht, Durchschnitt und gut. Und selten noch großartig.

    Durchschnitt ist für mich aber nicht gleich schlecht. Wenn ich etwas schlecht finde, dann breche ich es auch meistens ab, weil mir dafür dann meine Lebenszeit wirklich zu schade ist. Ein durchschnittliches Hörspiel kann mich meistens noch über einen gewissen Zeitraum gut unterhalten. Es reicht dann aber auch aus, das Hörspiel einmalig zu hören. Oder mit großem Abstand wieder. Da gibt es bei mir doch einen deutlichen Unterschied zwischen schlecht und durchschnittlich.

    Heutzutage im Stream kann es schon sein, dass man eher abbricht, wenn es einem nicht gefällt. Früher hat man das Hörspiel auf LP/MC/CD gekauft und hat dafür mehr Geld ausgegeben. Da hat man das Hörspiel vielleicht nicht so schnell abgebrochen. Aber ein schlechtes Hörspiel dann sicher auch schneller wieder verkauft.

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    Ich bin heute so farbenfroh, ich habe fünf verschiedene Schwarztöne an.

  • Danke für Eure Kommentare! #top# Ich würde dieses Thema selbst nicht nur am Stream vs CD festmachen. Ich denke dass auch unser Alter hier eine nicht unbedeutende Rolle zu sein scheint. Als Kind stand uns die Welt noch offen und wir haben daher gerne Hörspiele rauf und runter gespielt. Auch jene, die uns nicht so super gefielen. Aber durch das rauf und runter spielen, haben wir auch die „nur“ guten oder durchschnittlichen Hörspielen schätzen und lieben gelernt. Wir haben dem Hörspiel dadurch sicherlich unbewusst auch einfach mal ne zweite Chance gegeben. Heutzutage liest es sich manchmal schon so dass wir älteren Hörspielhörer fast schon Torschusspanik haben, sprechen von verschwendeter Lebenszeit und wollen deshalb einfach nur das Beste hören. Ich befürchte jedoch dass durch diese Einstellung sehr viel Gutes durch die Lappen geht, weil wir viel zu wählerisch sind, zu früh den Hut drauf hauen und aufgeben und Gutes als Durchschnitt und Durchschnitt sehr rasch als schlecht empfinden.

    Wie Akita Takeo richtig über den Hörspieltalk von morgen schrieb:

    Solange es Leute wie uns drei gibt und wir hier schreiben, bleibt es hoffentlich bestehen. Noch lange! #top#

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