Das hat wohl jeder selbst schon einmal erlebt. Man greift zu einem Lieblings-Hörspiel aus vergangenen Tagen und ist während dem Hören in einem Hochgefühl. Nicht nur das Hörerlebnis selber sorgt für angenehme Gefühle. Man ist plötzlich wieder der früheren Zeit sehr verbunden. Viele schöne Erlebnisse ziehen während dem Hören vor dem geistigen Auge vorbei und verstärken noch die positiven Emotionen rund um das Hörspiel. Man spricht vom sogenannten "Nostalgiebonus". Die "Neuhörer", die diesen positiven emotionalen Background nicht haben, wundern sich des öfteren darüber warum ein "solches" Hörspiel Gefallen finden kann und erklären dies mit dem "Nostalgiebonus", der manche Hörer scheinbar den kritischen Blick vergessen lässt.
Aber ist "Nostalgie" wirklich immer mit einem Bonus für das alte Hörspiel verbunden? Kann diese Nostalgie nicht manchmal auch zu einem Boomerang werden und sich negativ auf das Hörerlebnis auswirken? Also ich für mich habe auch die Kehrseite der Medaille erlebt. Man greift zu einem Hörspiel, von dem man in seiner Kindheit nicht genug bekommen konnte, hört nun mit den Ohren eines entwachsenen Kassettenkindes und ist ob der Machart, der Reizarmut und der Einfachheit schwer enttäuscht. Noch dazu wo man sich ein Feuerwerk an einem Hörerlebnis erwartet und genau das Gegenteil tritt ein. Warum kann das passieren? Ist das Hörspiel so viel schlechter geworden? Konnte man das Hörspiel nur als Kind genießen und war für die Ohren eines Erwachsenen nicht gedacht? Ich für mich bin zu folgendem Ergebnis gekommen: Heute leben wir in einer sehr Reiz überflutenden Welt. Alles ist laut, schrill, viele Reize wirken tagtäglich auf einem ein. Man konzentriert sich heute nicht mehr nur auf eine Sache. Nein, man arbeitet am Computer, hört gleichzeitig Nachrichten, während man nebenbei via Facebook oder WhatsApp mit Freunden kommuniziert und dabei auch noch Kaffee trinkend seine Emails checkt. Die Ruhe sich für eine einzige Sache Zeit zu nehmen, fehlt oft. Ebenso muss auch der Konsum mit vielen Reizen vollgepackt sein. Jede Menge Action, hohes Tempo und schneller Szenenwechsel sind in Hörspielen dieses Jahrtausends keine Seltenheit. Das Ohr des Hörers hat sich an diese Machart schon gewöhnt und reagiert auf jede andere Art manchmal nicht mit Begeisterung sondern eher mit Enttäuschung. Nostalgisch angehauchte ältere Hörspiele haben dann keinen wirklich Bonus sondern müssen im Gegenteil mit einem Nachteil kämpfen. Neuhörer können neutral das nostalgische Hörspiel bewerten. Althörer hingegen gehen mit einer hohen Erwartungshaltung in das Hörspiel, das dieses manchmal nicht mehr erfüllen kann. Die Begeisterung wechselt ins genaue Gegenteil - große Enttäuschung, weil sich das erwartete Hochgefühl nicht eingestellt hat.
Es ist manchmal gar nicht so einfach seine "Nostalgie-Brille" herunter zu nehmen und das Hörspiel neutral zu bewerten. Genau so ist es manchmal auch nicht so einfach sich auf die antiquierte Machart eines alten Hörspiels einzulassen. Es braucht dazu sicher Geduld, Zeit und Ruhe um dem alten Hörspiel die Chance zu lassen seine Stärken auszuspielen. Vielleicht wird dann die Enttäuschung für das Kassettenkind, dem damals das Hörspiel sehr gut gefiel, gar nicht erst auftreten. Denn alte Hörspiele sollten sicher keinen Bonus erfahren. Aber sie sollten beim Hören auch nicht mit einem Malus ins Rennen gehen. Schließlich muss man beim Hören auch ein wenig die Zeit, in der das Hörspiel gemacht wurde, berücksichtigen. Und wenn man dies verinnerlicht und mit anderen Ohren und Augen konsumiert, dann wird sich vielleicht ein schönes, tolles und möglicher Weise neues Hörerlebnis auftun.
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