HÖRSPIELKOLUMNE "GEDANKEN EINES HÖRSPIELFANS 1/2016" - Nostalgiebonus oder vielleicht doch Nostalgiemalus?

  • Das hat wohl jeder selbst schon einmal erlebt. Man greift zu einem Lieblings-Hörspiel aus vergangenen Tagen und ist während dem Hören in einem Hochgefühl. Nicht nur das Hörerlebnis selber sorgt für angenehme Gefühle. Man ist plötzlich wieder der früheren Zeit sehr verbunden. Viele schöne Erlebnisse ziehen während dem Hören vor dem geistigen Auge vorbei und verstärken noch die positiven Emotionen rund um das Hörspiel. Man spricht vom sogenannten "Nostalgiebonus". Die "Neuhörer", die diesen positiven emotionalen Background nicht haben, wundern sich des öfteren darüber warum ein "solches" Hörspiel Gefallen finden kann und erklären dies mit dem "Nostalgiebonus", der manche Hörer scheinbar den kritischen Blick vergessen lässt.

    Aber ist "Nostalgie" wirklich immer mit einem Bonus für das alte Hörspiel verbunden? Kann diese Nostalgie nicht manchmal auch zu einem Boomerang werden und sich negativ auf das Hörerlebnis auswirken? Also ich für mich habe auch die Kehrseite der Medaille erlebt. Man greift zu einem Hörspiel, von dem man in seiner Kindheit nicht genug bekommen konnte, hört nun mit den Ohren eines entwachsenen Kassettenkindes und ist ob der Machart, der Reizarmut und der Einfachheit schwer enttäuscht. Noch dazu wo man sich ein Feuerwerk an einem Hörerlebnis erwartet und genau das Gegenteil tritt ein. Warum kann das passieren? Ist das Hörspiel so viel schlechter geworden? Konnte man das Hörspiel nur als Kind genießen und war für die Ohren eines Erwachsenen nicht gedacht? Ich für mich bin zu folgendem Ergebnis gekommen: Heute leben wir in einer sehr Reiz überflutenden Welt. Alles ist laut, schrill, viele Reize wirken tagtäglich auf einem ein. Man konzentriert sich heute nicht mehr nur auf eine Sache. Nein, man arbeitet am Computer, hört gleichzeitig Nachrichten, während man nebenbei via Facebook oder WhatsApp mit Freunden kommuniziert und dabei auch noch Kaffee trinkend seine Emails checkt. Die Ruhe sich für eine einzige Sache Zeit zu nehmen, fehlt oft. Ebenso muss auch der Konsum mit vielen Reizen vollgepackt sein. Jede Menge Action, hohes Tempo und schneller Szenenwechsel sind in Hörspielen dieses Jahrtausends keine Seltenheit. Das Ohr des Hörers hat sich an diese Machart schon gewöhnt und reagiert auf jede andere Art manchmal nicht mit Begeisterung sondern eher mit Enttäuschung. Nostalgisch angehauchte ältere Hörspiele haben dann keinen wirklich Bonus sondern müssen im Gegenteil mit einem Nachteil kämpfen. Neuhörer können neutral das nostalgische Hörspiel bewerten. Althörer hingegen gehen mit einer hohen Erwartungshaltung in das Hörspiel, das dieses manchmal nicht mehr erfüllen kann. Die Begeisterung wechselt ins genaue Gegenteil - große Enttäuschung, weil sich das erwartete Hochgefühl nicht eingestellt hat.

    Es ist manchmal gar nicht so einfach seine "Nostalgie-Brille" herunter zu nehmen und das Hörspiel neutral zu bewerten. Genau so ist es manchmal auch nicht so einfach sich auf die antiquierte Machart eines alten Hörspiels einzulassen. Es braucht dazu sicher Geduld, Zeit und Ruhe um dem alten Hörspiel die Chance zu lassen seine Stärken auszuspielen. Vielleicht wird dann die Enttäuschung für das Kassettenkind, dem damals das Hörspiel sehr gut gefiel, gar nicht erst auftreten. Denn alte Hörspiele sollten sicher keinen Bonus erfahren. Aber sie sollten beim Hören auch nicht mit einem Malus ins Rennen gehen. Schließlich muss man beim Hören auch ein wenig die Zeit, in der das Hörspiel gemacht wurde, berücksichtigen. Und wenn man dies verinnerlicht und mit anderen Ohren und Augen konsumiert, dann wird sich vielleicht ein schönes, tolles und möglicher Weise neues Hörerlebnis auftun.

    Über Kommentare in Form von Postings, PMs oder Emails würde ich mich freuen! #winkewinke#

  • Als ich ab etwa 2000 meine eigene Nostalgiephase hatte, war ich auf Flohmärkten, Ebay und Co. auf der Jagd nach den Hörspielen meiner Kindheit und frühen Jugend bis 1983.

    Wenn ich sie dann nach all den vielen Jahren wieder das erste Mal hörte, war ich eigentlich nie enttäuscht. Was mir damals gefallen hatte, gefiel mir immer noch. Vieles davon kannte ich eh’ noch so gut wie auswendig. Das meiste gab ich dann auch an meinen Sohn weiter.

    Mit der Zeit änderte sich das aber. Und irgendwann hörte ich dann völlig auf, mich für meine alten Hörspiele von damals zu interessieren. Ich hatte sie mir wahrscheinlich endgültig übergehört.

    Heute denke ich manchmal ganz gerne an alte Hörspiele zurück bzw. manchmal schleichen sich einfach Szenen daraus in meine Gedankengänge. Aber (und das ist der entscheidende Unterschied): Ich höre sie nicht mehr.

    Und daher habe ich auch keine negativen Erlebnisse in dem Sinne, dass Nostalgie in Enttäuschung umschlägt.

    Das mag wohl daran liegen, dass der eigene Alterungs- oder Reifungsprozess unerbittlich voranschreitet und man sich irgendwann endgültig von der Vergangenheit trennt.

    Die einzigen alten Hörspiele, die ich noch ab und zu höre, sind die Van Dusens. Aber die höre ich ja nun seit über 30 Jahren, und es sind ja Hörspiele, die fast für jedes Alter geeignet sind.

  • Die Erfahrung, dass TV-Serien, Filme oder Hörspiele, die man als Kind geliebt hat, gar nicht mehr so großartig erscheinen, wenn man sie sich mit Jahrzehnten Abstand als Erwachsener noch einmal anschaut oder anhört, haben wohl fast alle von uns schon einmal gemacht. Und es ist völlig okay, wenn man Dinge auch mal durch die rosarote Fanbrille betrachtet und ihnen einen Nostalgiebonus zugesteht. Ich selbst könnte aus dem Stand eine Reihe von Produktionen nennen, die für mich persönlich diesen Bonus besitzen.

    Wenn sich für mein Dafürhalten Produktionen beim Wiedererleben im Vergleich zu früher verschlechtert haben, dann deshalb, weil ich heute Schwächen wahrnehme, die mir damals nicht aufgefallen sind. Oder es ist schlicht und ergreifend so, dass sich meine Erwartungen an eine Unterhaltungsproduktion weiterentwickelt haben. Ich bin einfach nicht mehr der 10-Jährige, der noch leicht zu begeistern war, dem Plotlöcher und falschausgesprochene Namen nicht auffielen und dem es egal war, dass die ganzen Jugendserien irgendwie alle die gleiche Charaktere hatten. Ich bin reifer geworden, doch die alten Produktionen sind immer noch die gleichen wie früher. Und manchmal stellt man dann eben fest, dass man sich auseinanderentwickelt hat.

    Es wäre sicherlich falsch, Hörspiele von früher pauschal als "alten Kram" abzutun, denn es finden sich unter ihnen einige wirklich tolle Produktionen, die auch heute noch problemlos hörbar sind. Aber man sollte die Oldies nun auch nicht kritiklos vergöttern. Viele von ihnen wurden zügig und das Budget schonend heruntergekurbelt, um schnell auf den Markt geworfen zu werden. Musiken und Soundeffekte wurden immer und immer wieder verwendet, und teilweise machte man sich nicht einmal die Mühe festzuhalten, welcher Sprecher welche Rolle gesprochen hatte. Das Ding war produziert. Fertig. Nächstes. Wären die Hörspiel von damals auf das kritische Fandom von heute getroffen, so manche wären in der Luft zerrissen worden. Aber sie haben eben das Glück, dass es heute den Nostalgiebonus gibt.

    Dagegen haben viele der heutigen Produktionen offenbar einen "Gegenwartsmalus", den sie mit sich herumschleppen müssen. Sie sind gezwungen, mit den nostalgischen Erinnerungen der Kassettenkinder an eine unbeschwerte Kindheit zu konkurrieren. Ein Kampf, den sie nicht gewinnen können. Sie können erwachsene Ohren, denen nach tausenden Stunden Hörspiel nichts mehr fremd ist, einfach nicht so begeistern, wie es vor Jahrzehnten die alten Hörspiele konnten, die auf Kinderohren trafen, für die noch alles neu war. Ich würde mir bisweilen wünschen, dass manche Hörspielfans neuen Produktionen unvoreingenommener begegnen würden. Wer möchte, dass man alten Produktionen gegenüber Fairness walten lässt, sollte sich auch den aktuellen Hörspielen gegenüber genauso fair verhalten. Früher mit heute zu vergleichen, funktioniert nicht. Und zwar weder in eine, noch in die andere Richtung.

  • Ich finde das Thema interessant, weil ich nämlich genau diesen Hintergrund und Nostalgiebonus *nicht* habe.
    Bin ja echt erst vor ein paar Jahren über Umwege (??? Kasstte gefunden -> nachgelesen -> ach die gibt's immer noch -> ach, auch Hörspiele für Erwachsene?) zum Hörspiel gekommen. Geht mir aber mit vielem so. Jetzt, 2015, schau ich Roseanne, Alf, hör Genesis und Pink Floyd. Ich entdecke all das alte Zeugs zum ersten mal. Und aus der Sicht wirken viele Hörspiele für mich sehr schwach. Sachen wie eben Fünf Freunde oder H.G. Francis, bei letzterem fand ich Markus' Artikel wunderbar, denke aber auch dass er die nur so toll findet weil er eben damit aufgewachsen ist und die Folgen bestimmt auswendig rezitieren könnte. Auf einen nicht mehr so ganz jungen Menschen, der diese zum ersten mal hört wirken die teilweise unfreiwillig komisch. Ich kann mir rein intellektuell vorstellen, dass das damals im Kinderzimmer für Spannung und Grusel sorgte, wenn man das aber jetzt neu hört funktioniert es nicht mehr.
    Und was Markus auch noch ansprach - Reizüberflutung - das spielt für mich keine Rolle. Das hat nichts mit alt oder jung, Nostalgie, zu tun. Wenn ich ein Hörspiel höre, dann widme ich diesem auch meine volle Aufmerksamkeit. Zumindest beim ersten Mal. Altbekannte "Wohlfühlhörspiele" hör ich auch gerne zum Einschlafen, aber das ist dann was anderes. Die habe ich schon gehört, ich weiss worum's geht und wie es ausgeht.

  • Mit Reizüberflutung bei Hörspielen meinte ich, dass neuere Hörspiele oft deutlich mehr Reize (Geräuschkulisse, Musik, schnellere Schnitte, höheres Tempo, Erzählerstimme/Geräusche/Musik/Dialoge übereinander gelegt usw.) gleichzeitig zu bieten haben. Da wirken ältere Hörspiele im Vergleich reizarm. Dass Menschen von heute, die im täglichen Leben schon viele Aufgaben gleichzeitig erledigen (müssen), mit Reiz reichen Hörspielen eher etwas anfangen können, als mit Reiz armen Hörspielklassiker ist eine Vermutung meinerseits.

  • Ja, sorry, da hatte ich einfach das falsche Wort erwischt. Was ich meinte war das von dir angesprochene "man arbeitet am Computer, hört gleichzeitig Nachrichten, während man nebenbei via Facebook oder WhatsApp mit Freunden kommuniziert und dabei auch noch Kaffee trinkend seine Emails checkt. ".

  • Das stimmt. Die Machart der Hörspiele von heute und derer aus den 80ern unterscheidet sich immens. Damals wurden Effekte nicht nur spärlicher eingesetzt, sie wurden oftmals auch getrennt. Knarrt heute eine Tür während jemand spricht, war das in den 80ern ein seperater Effekt. Die Hörspiele von damals sind also deutlich reizärmer und auch langsamer in der Erzählweise. Aber muss das ein Nachteil sein?

    Stichwort: Entschleunigung.

    Wenn man sich darauf einlässt kann man durchaus Gefallen an dieser Machart finden und den Kontast geniessen. Mir kommen da zwei TV Serien aus meiner Kindheit (Robin of Sherwood und Die geheime Welt der Polly Flint) in den Sinn. Auch diese sind deutlich langsamer erzählt als heutige TV Serien. Dieser Kontrast ist mir aufgefallen, als ich sie mir nach vielen Jahren erneut ansah und ich fand ihn gut. Vor allem weil mir die Folgen aufgrund der Erzählweise deutlich länger vorkamen als die aktueller Serien. Aus der Zeit habe ich also mehr rausgeholt, wenn man so will.

    #helau#  " Ersteller des 1. Beitrages 2013 " #helau#

    Prima luce

    Es tanzt ein Sonnenstrahl

    zur Melodie der alten Lieder.

    Setzt sich nieder

    in deinem Auge Glanze.

    Du hast die Wahl:

    Tanze!

    (2013 von mir verfasst)

  • Aristophanes: Da bin ich ganz bei Dir. Man muss sich darauf einlassen (wollen). Dann kann man in manchen Fällen wirklich schöne und “andersartige“ Hörspielerlebnisse haben. Dann ist es auch ganz sicher kein Nachteil! Aber im ersten Moment kann dieses alte Hörspiel auf Grund seiner “entschleuinigenden“ Art fade, langatmig oder einfach altbacken wirken. Also ganz anders als man es vielleicht in Erinnerung hatte. Und dann ist es von Nachteil. Daher muss man sich für ein solches Hörspiel Zeit nehmen und sich ein wenig “einhören“, zumindest ich, dann macht es irgendwann klick und man ist im Hörspiel im.positiven Sinne wieder gefangen.

  • Mit Reizüberflutung bei Hörspielen meinte ich, dass neuere Hörspiele oft deutlich mehr Reize (Geräuschkulisse, Musik, schnellere Schnitte, höheres Tempo, Erzählerstimme/Geräusche/Musik/Dialoge übereinander gelegt usw.) gleichzeitig zu bieten haben.

    Ich sehe das als den Versuch der Hörspielmacher, eine noch authentischere Atmosphäre zu erzeugen, das Ganze noch "lebensechter" und dynamischer wirken zu lassen. Das Abmischen am Rechner macht es heute den Machern wahrscheinlich auch einfacher als früher, mehr Details einzubauen. Ich empfinde das auch nicht als Reizüberflutung, weil man (wie Alltag) gar nicht alles gleichzeitig wahrnimmt. Dadurch kann man beim wiederholten Hören Details entdecken, die man beim ersten Mal nicht bemerkt hat. Ich finde das sehr reizvoll.

    Ältere Hörspiele haben vielleicht eine verhaltenere Soundkulisse zu bieten, doch dann muss eben die Geschichte überzeugen.

  • Sehr interessantes Thema und je mehr ich darüber nachdenke, komme ich für mich zu dem Ergebnis, dass es bei mir gar nicht der "Nostalgiebonus" ist, der mich oft zu alten Hörspiel-Produktionen zieht. Ich habe auch als Erwachsener einige alte Hörspiele und sogar Serien im Gebrauchtmarkt entdeckt, die ich in meiner Jugendzeit gar nicht kannte und dennoch war ich von diesen Produktionen fasziniert, auch ohne Nostalgiebonus. Im Nachhinein denke ich, ist die entschleunigte Erzählart, die mir hier besonders gefällt. Natürlich gefallen mir auch neue Produktionen die mit gewisser "Reizüberflutung" erzählt werden, sie bleiben insgesamt aber in der Minderzahl. Und, was mir noch auffällt, ich höre mir diese Hörspiele, die von ihrer Machart deutlich mehr "Reize" ansprechen oft nur einmal an, während "entschleunigte" Hörspiele (egal ob alte oder neue Produktionen) sehr viel öfter auf meinem Player landen. Wahrscheinlich hängt es auch damit zusammen, dass wir mittlerweile in einer sehr schnellen Zeit mit immer mehr Reizüberflutungen leben, da stellt das entspannte lauschen eines Hörspiels bei mir oft eine richtige Auszeit dar. Möglicherweise sind meine Ohren, aus alter Zeit, auch einfach mehr auf die entschleunigte Produktionsart programmiert worden.

    Zitat

    Ich sehe das als den Versuch der Hörspielmacher, eine noch authentischere Atmosphäre zu erzeugen, das Ganze noch "lebensechter" und dynamischer wirken zu lassen. Das Abmischen am Rechner macht es heute den Machern wahrscheinlich auch einfacher als früher, mehr Details einzubauen. Ich empfinde das auch nicht als Reizüberflutung, weil man (wie Alltag) gar nicht alles gleichzeitig wahrnimmt.


    Dies kommt jetzt ganz darauf an... es gibt für mich schon ein gewissen Trend zum "Übertriebenen", egal ob es zu viele Effekte im allgemeinen in Hörspielen sind oder z.B. im Grusel Genre, wo immer mehr auf Splatter Szenen gesetzt werden. Manchmal denke ich dass weniger einfach mehr ist und wieder mehr die Geschichte, die sich im Kopf entfaltet, im Vordergrund stehen sollte.

  • @SciFi Watchman:

    Zitat

    Ich sehe das als den Versuch der Hörspielmacher, eine noch authentischere Atmosphäre zu erzeugen, das Ganze noch "lebensechter" und dynamischer wirken zu lassen. Das Abmischen am Rechner macht es heute den Machern wahrscheinlich auch einfacher als früher, mehr Details einzubauen. Ich empfinde das auch nicht als Reizüberflutung, weil man (wie Alltag) gar nicht alles gleichzeitig wahrnimmt. Dadurch kann man beim wiederholten Hören Details entdecken, die man beim ersten Mal nicht bemerkt hat. Ich finde das sehr reizvoll.

    Ich würde die "Reizüberflutung" per se auch nicht unbedingt als negativ ansehen. Es geht mir auch weniger eine Zeitepoche des Hörspiels als "besser" oder "schlechter" zu bewerten. Ganz im Gegenteil, jede Zeit hat ihre Stärken und Schwächen. Und in manchen Dingen würde ich mir beim heutigen Hörspiel oft deutlich mehr Details wünschen, Sprichwort "Mehrkanalton", denn da scheint die Zeit still zu stehen. Worauf ich selbst aber heraus will/wollte, und was @hoerspielkassette auch angesprochen hat, ist die Vermutung meinerseits, dass wir von den Hörspielen, von der Machart, usw. geprägt werden. Und wenn ich sehr viel moderne und aktuelle Hörspiele höre, für alte oder ältere Hörspiele fehlt auch oft die Zeit (siehe HÖRSPIELKOLUMNE "GEDANKEN EINES HÖRSPIELFANS 2/2015" - Warum sich nicht auch einmal Zeit nehmen? ), dann werde ich, ob bewusst oder unbewusst, davon geprägt. Man "gewöhnt" sich an die vielen Reize (weil sie uns auch im täglichen Leben dominieren, siehe auch mein Beispiel mit dem Kaffee trinkenden, am Computer arbeitenden, via Facebook oder WhatsApp korrespondierenden und Emails checkenden Menschen) und findet dies als ganz normal an. Wenn man dann plötzlich ein Reizarmes Hörspiel oder auch ein Hörspiel, dass "anders" klingt, konsumiert, kann es durchaus vorkommen, dass einem dieses Hörspiel auf den ersten Blick oder besser gesagt, beim ersten Hören, nicht gefällt. Da fehlt etwas. Man muss sich also wohl auch in solch ältere Hörspiele "einhören", damit sie einem gefallen. daher sprach ich von einem Malus, der auftritt und nicht nur von einem Bonus, von dem jedoch sehr viel öfters gesprochen wird.

    @hoerspielkassette:

    Zitat

    Möglicherweise sind meine Ohren, aus alter Zeit, auch einfach mehr auf die entschleunigte Produktionsart programmiert worden.

    Genau darauf wollte ich hinaus. Wir werden durch unseren Konsum geprägt, je nachdem was man hört. Und die Hörerschaft, die sich fast ausschließlich mit neuen Hörspielen beschäftigen, werden beim Hören eines 30 Jahre alten Hörspiels, eventuell weniger Freude haben, selbst wenn sie dieses früher als Kind genial gefunden haben, weil sich die "Hörgewohnheiten" verändert haben. Natürlich kann man dieses "Phänomen" auch umgekehrt bemerken. Und natürlich gibt es auch diesen Nostalgiebonus, weil einem Kindheit, schöne Erlebnisse, die mit dem Hörspiel und mit der damaligen Zeit verbunden sind, in den Sinn kommen. Aber, wie schon geschrieben, habe ich doch den Eindruck, dass Nostalgie nicht immer nur ein Bonus sondern manchmal auch das Gegenteil bewirken kann.

  • man sollte die Oldies nun auch nicht kritiklos vergöttern. Viele von ihnen wurden zügig und das Budget schonend heruntergekurbelt, um schnell auf den Markt geworfen zu werden. Musiken und Soundeffekte wurden immer und immer wieder verwendet


    Das empfinde ich aber auch bei einigen aktuellen Produktionen so. Das ist keine Eigenart der "Oldies".

    Ich habe auch als Erwachsener einige alte Hörspiele und sogar Serien im Gebrauchtmarkt entdeckt, die ich in meiner Jugendzeit gar nicht kannte und dennoch war ich von diesen Produktionen fasziniert, auch ohne Nostalgiebonus. Im Nachhinein denke ich, ist die entschleunigte Erzählart, die mir hier besonders gefällt. (...)
    Wahrscheinlich hängt es (...) damit zusammen, dass wir mittlerweile in einer sehr schnellen Zeit mit immer mehr Reizüberflutungen leben, da stellt das entspannte lauschen eines Hörspiels bei mir oft eine richtige Auszeit dar. Möglicherweise sind meine Ohren, aus alter Zeit, auch einfach mehr auf die entschleunigte Produktionsart programmiert worden.


    Dem stimme ich absolut zu. :thumbup:

    Auch ich habe in meiner oben beschriebenen Nostalgiephase einige alte Hörspiele zum erstenmal ausprobiert, die ich in meiner Kindheit nicht kannte und war von einigen begeistert - wahrscheinlich, weil mich die "altmodische" Machart so ansprach.
    Ich denke, ich bin durch diese entschleunigte, reizüberflutungsfreie Machart von früher so geprägt, dass ich nicht mehr umgepolt werden kann. Daran ändert auch fortschreitendes Alter nichts. Auch ich höre viel mehr aktuelle Hörspiele, die auf diese Art entschleunigt sind (die von damals wie gesagt kaum noch).

    Denn im Alltag habe ich genug Stress. Da brauche ich nicht auch noch Stress im Hörspiel.

    Das ist wie mit dem Fernsehen. Ich bin aufgewachsen, als es noch keine Werbeunterbrechungen gab. Und daher nerven mich Werbeunterbrechungen bis heute. Ich kann mich daran nicht gewöhnen und werde es wohl nie können. Die Prägung von früher lässt sich nicht abschalten. ^^

    Aber eben daher habe ich noch nie eine Enttäuschung oder Nostalgiemalus erlebt. Was mir damals gefiel, gefiel mir auch später (und auch heute) noch. Es ist halt diese Prägung. Von daher geht es mir ganz anders als dem Kollegen Markus G.

  • Starkes Thema, Markus G. :D

    Bei mir ist es grundsätzlich eher so, dass alte Liebe nicht rostet. Was ich damals gut fand, finde ich in der Regel auch heute noch gut. Wenn ich die fünf Freunde höre, wird mir einfach warm ums Herz, ich habe das Gefühl, nach Hause zu kommen, wo Kekse und Kakao auf dem Tisch stehen, will sagen, ich fühle mich einfach sauwohl (das muss dann wohl der Nostalgie-Bonus sein ;)).
    Neulich habe ich mit meiner Tochter (wird bald vier und ist von Papa mit der Hörspielsucht infiziert worden) Bibi Blocksberg "Die Kuh im Schlafzimmer" nach Jahrzehnten wieder gehört, was soll ich sagen:
    Tränen gelacht :D
    Es sind bei mir auch einfach viele Stimmen, die mich auch in aktuellen Produktionen ansprechen, weil sie mich mein Leben lang begleitet haben, allen voran Lutz Mackensy und Oliver Rohrbeck oder auch Andreas Mannkopf, Jens Wawrczeck, Andreas Fröhlich, Sascha Draeger und wie sie alle heißen...

    Ansonsten sehe ich das Ganze pragmatisch, entweder mag ich, was ich höre, oder eben nicht.

    Da ist mir das Erscheinungsjahr herzlich egal. Vielleicht erkennt man das an meinen Lieblingsserien:

    Larry Brent (Europa & Winterzeit)
    Macabros (Europa & Winterzeit)
    John Sinclair (Lübbe)
    Gruselkabinett
    Dorian Hunter
    Fünf Freunde (Folgen 1-21)
    ??? (eher die frühen Folgen)
    TKKG (bis circa Folge 40)
    Neon Grusel

    Gute Hörspiele sind gute Hörspiele, ob nun ganz leise oder mit viel Geschepper, ob mit Pseudo-Jugend-Sprache (köstlich bei TKKG) oder mit schöner alter Ausdrucksweise (beeindruckend beim Gruselkabinett), gerade diese wunderbare Vielfalt macht für mich dieses Hobby so interessant.

    Oder anders gesagt: die Beatles sind die beste Band der Welt, Muse aber auch ^^

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