WerIn den letzten Wochen und Monaten hat uns Talker/innen dieses Thema in sehr vielen threads direkt oder indirekt beschäftigt. Zuletzt hatte auch @Marc Freund die durchaus berechtigte Frage und Feststellung gestellt:
ZitatDa denkt man, nein man ist felsenfest davon überzeugt, dass man gerade den Krimi-Einfall des Jahrhunderts hatte und was muss man dann erfahren? Die Christie, der Doyle, der Wallace, der Carr, der Durbridge ... sie alle hatten den Einfall schon gefühlte 120 Jahre früher. Was macht man dann also mit dem grandiosen Einfall? Verwerfen und damit eine an sich schöne Geschichte ins Reich der nie geschriebenen Geschichten verbannen oder die Idee abwandeln und das Risiko in Kauf nehmen, vom dem einen oder anderen darauf angesprochen zu werden, dass die Christie, der Doyle, der Wallace usw. das ja schon mal gemacht hätten und zwar exakt vor 120 Jahren in dem Roman ...
Ich bin dafür, die Geschichte trotzdem zu schreiben, sofern sie nicht eine 1:1 Kopie des Originals ist und sofern sie sich nur einiger kleiner Anlehnungen bedient. Was meint ihr?
Ähnlichkeiten, Anlehungen und Kopien findet man in der Hörspiellandschaft häufig. Seit Tagen loben wir den guten H.G. Francis zu Recht wegen seiner wirklich genialen Gruselserie. Aber gerade er hat es perfekt verstanden Themen und Handlungen, die im Film große Bekanntheit erreicht haben, in eine kurze und knackige Hörspielgeschichte zu bannen. Und wir sind begeistert davon. Und es gibt jetzt viele Beispiele, die man nennen könnte, die ich aber absichtlich nicht anführe, weil die Diskussionen darüber dann leider für Unfrieden und Unverständnis seitens der Fans und der Labels geführt haben. Aber in den meisten Fällen waren und sind wir im Grunde mit den Hörspielen ausgesprochen zufrieden. Warum? Weil eine bekannte Szene, eine bekannte Geschichte, ein bekanntes Thema, eine bekannte Musik, ein bekanntes Setting, ein bekanntes Bild usw. sehr reizvoll sein kann, wenn man diese auf eine "andere Ebene", sprich andere Zeit, andere Umgebung, anderes Design usw, hebt. Dadurch ergeben sich für den Macher wie für den Hörer ganz neue Möglichkeiten, andere Verstrickungen und aus einem bekannten Plot ergibt sich plötzlich eine komplett andere Geschichte. Die Wurzeln mögen die selben sein, aber der Baum, der daraus wächst, wird andere, neue und unbekannte Äste hervorbringen.
Und um dezidiert auf Marcs Frage zu antworten: Ja, ich bin ebenfalls dafür die Geschichte zu schreiben, unabhängig davon ob man sich nun bewusst der "Ähnlichkeit" bedient, wie dies H.G. Francis perfekt konnte, oder ob dies einem beim schreiben einfach "passiert", wie es bei Marc der Fall zu sein scheint. Besser eine sehr gute Variation als eine schlechte neue Story.
Variation ist hier das Zauberwort. Eine 1:1 Übertragung mit neuen Sprechern, neuer Musik usw. kann ebenfalls sehr reizvoll sein und ist ja in anderen Kunstgattungen Gang und Gäbe. Aber aus meiner persönlichen Erfahrung heraus, kommt es dann sehr häufig zu einem Vergleich mit dem Original. Und der Mensch ist ein Gewohnheitstier. In den meisten Fällen spricht ihm das gewohnte Original mehr an als die Neuaufnahme. Eine sehr gute Geschicht e, die in einigen Bereichen Ähnlichkeiten zu einem ursprünglichen Hörspiel/Film/Buch hat, aber in vielen anderen Bereichen eine komplette neue "Ausstrahlung" aufweist, macht mir in der Regel immer großen Spass. Und auch hier gibt es Szenerien, die man als Hörer sehr gerne Tausend Mal hört und es gibt Szenerien, die man so gar nicht mag.
Wie ich schon in anderen threads mehrfach geschrieben habe, so hatten und haben sich große und erfolgreiche Firmen und Menschen oft Ideen anderer bedient. Aber sie haben diese nicht nur plump übernommen, sondern sie durch Variation und Weiterführung auf eine weitere Ebene gehoben und damit vielen, vielen Menschen Freude gemacht. Daher stehe ich auf den Standpunkt: Nein, das Hörspiel-Rad muss nicht immer neu erfunden werden. Es muss nur weiter gedreht werden. Und hier bieten viele bekannte Geschichten aus Filmen, Büchern oder auch aus anderen Hörspielen wunderbaren Stoff, diesen weiter zu entwickeln.