Schweig! [SWR] Psychothriller

  • Schweig!

    von
    Judith Merchant


    Judith Merchant lässt in ihrem Psychothriller zwei unzuverlässige Erzählerinnen gegeneinander antreten - in einem intensiven Kammerspiel um eine toxische Beziehung, in der nichts ist, wie es scheint.
    Nach dem gleichnamigen Kriminalroman von Judith Merchant.

    Mit
    Katharina Marie Schubert
    Sandra Borgmann
    Steven Scharf
    Amos Otis Hiss
    Emma Beimel
    u. a.

    Musik
    Andreas Bernhard

    Hörspielbearbeitung
    Uta-Maria Heim

    Regie
    Kirstin Petri

    Produktion
    SWR 2022


    Link zu Download und Stream:
    Schweig!


    Quelle: ARD-Audiothek

  • Oh wie schön.

    Ich lese gerade den Roman, da werde ich im Anschluss mal hören, wieviel von den sehr intensiv gezeichneten Charakteren und deren unterschiedlichen Sichtweisen auf die Wirklichkeit in 55 Minuten Hörspiel passen. Bis jetzt (habe so circa ein Viertel gelesen) kann ich mir nur schwer vorstellen, dass man der Vorlage wird gerecht werden können. Ich bin neugierig - darauf, wie es im Buch weitergeht und darauf, welchen Schwerpunkt das Hörspiel setzen wird.

    Nicht jeder Verkannte ist ein Genie. (Walter Moers)

    Einmal editiert, zuletzt von Stollentroll (13. Dezember 2022 um 10:52)

  • Ich hab's schon gehört, kenne allerdings das zugrundeliegende Buch nicht. Die Handlung dürfte ziemlich gerafft worden sein. Ich sehe es darum auch eher als eine Art Zuspitzung komplexer Gefühlslagen. Als Charakterstudie zweier Schwestern ist es wirklich gut gemacht. Ich denke, da sind ein paar sehr treffende Beobachtungen ziemlich gekonnt auf die Spitze getrieben worden.

    Unterm Strich in meinen Augen Ohren durchaus ein empfehlenswertes Hörspiel.

  • Nachdem ich nun das Buch gelesen und das Hörspiel gehört habe, wage ich, eine Meinung zu haben...

    "Am Tag vor Heiligabend fährt Esther zu ihrer Schwester Sue, die allein in ihrer Villa am Wald wohnt. Ein Schneesturm setzt ein. Die beiden Frauen geraten in Streit, aber Esther will einfach nicht gehen. Das liegt nicht nur am Wetter, sondern daran, dass sie ihre Schwester bevormundet. Sue soll sich ihrem Willen beugen und mitkommen in die Stadt, um mit Esther und ihrer Familie Weihnachten zu feiern. Ein Drama bahnt sich an, als auch noch Esthers Mann Martin auftaucht..."

    Das Hörspiel schildert den Grundkonflkt zwischen den Schwestern Esther und Sue, der sich immer mehr zuspitzt und schließlich in einem dramatischen Finale gipfelt. Die dritte Erzählebene des Buches, nämlich Martins Geschichte, wird im Hörspiel weitgehend ausgespart. Das Ende ist hingegen in beiden Versionen bitterböse und hundsgemein. Als Leser des Buches hat man etliche 'Aha'-Momente, muss aber auch mit ein paar Redundanzen leben. Die Buchvorlage ist ein gelungener, clever konstruierter und routiniert geschriebener Psychothriller, der tiefe Einblicke in die Gefühlswelten und Lebenssituationen der Personen gewährt.

    Das Hörspiel muss die Hintergründe der Handlung gewaltig eindampfen, um in 55 Minuten erzählt werden zu können. Die Geschichte ist auch in dieser Version packend und spannend. Allerdings fragt man sich doch an der einen oder anderen Stelle, warum die Personen jetzt so handeln. Und die Rückblenden, die im Roman vieles erklären und neu ausleuchten, machen das Hörspiel anstrengend in dem Sinn, dass man über die komplette Laufzeit konzentriert zuhören muss.

    Die Sprecherinnen Katharina Marie Schubert und Sandra Borgmann sind toll, man glaubt ihnen jedes Wort. Steven Scharf als Martin klingt erst etwas unbeteiligt, aber das erklärt sich im Lauf der Handlung dann. Auch er macht seine Sache gut. Die Dialoge sind der Buchvorlage entnommen, allerdings notwendiger Weise stark gekürzt. Zu Lasten der atmosphärischen Dichte ist das Hörspiel damit temporeicher als der Roman, der mit seinen kurzen Szenen in wechselnden Zeitebenen auch schon nicht gerade gemütlich vorgeht. Mir ging es so, dass ich das Hörspiel teilweise als etwas gehetzt empfunden habe. Ob das auch so wäre, wenn ich das Buch nicht gelesen hätte, ist allerdings schwer zu sagen. Insgesamt gibt es an Skript, Dialogen, Timing und Spannungsbogen aber nichts Wesentliches auszusetzen. Uta Maria Heim, die für die Bearbeitung zuständig war, hat hier wirklich gute Arbeit geleistet.

    Richtig toll fand ich die Musik von Andreas Bernhard. Diese dräut über die gesamte Spielzeit im Hintergrund und lässt kommendes Unheil erwarten. Das ist so reduziert und zurückgenommen, dass man sie manchmal gar nicht bewusst wahrnimmt, aber sie erzielt jede Menge Wirkung. Damit wird die Grundstimmung der Vorlage gut eingefangen und transportiert.

    Eine Buchvorlage mit einem daraus entwickelten Hörspiel vergleichen zu wollen, ist nicht nur schwierig, sondern auch ein Stück weit unfair. Roman und Hörspiel folgen anderen Regeln und Notwendigkeiten und haben jeweils andere Möglichkeiten. Im Fall von 'Schweig!' lautet mein Fazit: Gutes Hörspiel, aber im Zweifel würde ich trotzdem zum Buch raten.

    Und jetzt bin ich in einem 'Konflikt': Auf meiner Festplatte befindet sich noch ungehört der Vorgänger 'Atme!' von Judith Merchant aus dem Jahr 2021 und das Buch ist ebenfalls noch ungelesen auf meinem Reader. Vielleicht sollte ich es diesmal umdrehen, also erst hören und dann lesen?

    Nicht jeder Verkannte ist ein Genie. (Walter Moers)

  • Danke wieder einmal für die sehr gelungene Rezension. Wäre es in diesem Fall nicht besser gewesen die Laufzeit des Hörspiels deutlich zu verlängern um alle Facetten des Buches abdecken zu können?

    Wie Akita Takeo richtig über den Hörspieltalk von morgen schrieb:

    Solange es Leute wie uns drei gibt und wir hier schreiben, bleibt es hoffentlich bestehen. Noch lange! #top#

  • Wäre es in diesem Fall nicht besser gewesen die Laufzeit des Hörspiels deutlich zu verlängern

    Schwierige Frage. Für meinen Geschmack durchaus. Ich fand an der Vorlage gerade die Zusammenhänge zwischen Kindheitserlebnissen und heutigem Verhalten interessant, die im Hörspiel höchsten angerissen werden. Andererseits wie oben geschrieben: So wie es ist, ist das auch ein tolles Thriller-Hörspiel. Letztlich also wohl eine Geschmacksfrage.

    Nicht jeder Verkannte ist ein Genie. (Walter Moers)

  • Ich kenne ja nur das Hörspiel und da fand ich schon einiges nicht so recht befriedigend hergeleitet. Ich könnte mir denken, dass das im Buch besser gelöst wird.

    Und ich persönlich würde immer erst ein Buch lesen, ehe ich das entsprechende Hörspiel höre, nie umgekehrt, denn das Erleben ist für mich beim Lesen viel intensiver, wenn ich all meine Phantasie aufbieten muss, um dem Erzählten Gestalt zu verleihen. Nach dem Hörspiel wäre ich dafür viel zu sehr vorgeprägt.

    Aber da ich keine Thriller lese, stellt sich bei mir die Frage eh nicht. :)

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