Der Thron der Nibelungen - Die Serienbesprechung (SPOILER!)

  • ...aber ich werde kein Actionfeuerwerk schreiben, in dem sich die Teilnehmer zurufen, was sie gerade machen.

    Nun ja, das würde sicherlich auch keiner hören wollen, denn es geht ja beim modernen Erzählen in Hörspielen gerade darum, dass niemand sich oder anderen zurufen muss, was er gerade macht, sondern sich dies über rein akustische, nicht-dialogische Mittel erschließen lässt. ;)

    Und natürlich soll es solche Szenen auch nur dort geben, wo es die Handlung zulässt, ist ja klar. Aber als Hörer möchte man nun auch nicht unbedingt das Gefühl vermittelt bekommen, dass da in der Handlung ganz aufregende Dinge geschehen sind, über die im Hörspiel aber dann nur geredet wird, weil dem jeweiligen Macher die Leidenschaft, die Ideen oder auch das Vermögen fehlte, diese Dinge akustisch überzeugend zu transportieren. Das ist ja zB ein Vorwurf, der oft Hörspielmachern wie Marc Gruppe oder André Minninger gemacht wird. Man verschenkt da einfach eine Menge dramatisches Potential, denke ich. Gerade wenn man bei Hörern andocken möchte, die nicht bloß aus Nostalgiegründen Hörspiele hören, sondern durch Literatur und Fernsehen mit modernem Erzählen vertraut sind.

  • Kann man eigentlich bei den Streaming-Portalen sehen, wie viele Hörer die einzelnen Folgen dieser Serie bisher hatten? Bei Spotify sehe ich nur bei Track 1 von Folge 1, dass es knapp über 1.000 Hörer waren bisher, die restlichen Tracks haben die 1.000 wohl noch nicht erreicht, bei den anderen kann ich es nicht einsehen (oder ich bin dafür zu doof, was mir wahrscheinlicher erscheint ;) ).

    Mich würde sehr interessieren, ob diese Serie auf Interesse stößt und als Erfolg zu verbuchen ist - was ja eine zweite Staffel wahrscheinlicher machte - oder nicht.
    Ich kenne mich da ja nun auch nicht so gut aus, aber 1.000 Hörer klingt für mich jetzt erstmal nicht nach so übermäßig viel.
    Aber ich kann mich täuschen.

    Weiß jemand mehr?

    Wie gesagt: Ich würde der Serie viel Erfolg wünschen. Ich mochte sie sehr. :)

  • @Chris kennt sich da eventuell aus. Er hat ja eine Zeit lang die Hörerzahlen analysiert.

    Wie Akita Takeo richtig über den Hörspieltalk von morgen schrieb:

    Solange es Leute wie uns drei gibt und wir hier schreiben, bleibt es hoffentlich bestehen. Noch lange! #top#

  • Nachdem in einem anderen Thread gerade über die Art diskutiert wird, wie Label auf Kritik an den Hörspielen reagieren sollen (Konsens scheint zu sein: wenn, dann möglichst sachlich), werde ich einmal eine transkribierte Besprechung zu diesem Hörspiel hier posten und im anderen Thread ergänzend darauf eingehen:

    Zitat

    Ich möchte etwas ausholen, aber heftig: meine Lieblingsfassung des Nibelungenstoffes ist die Siegfried-Fassung von Konrad Halver aus den frühen 60ern, und ich habe immer gedacht, da kann man nicht viel kaputtmachen. Ich finde es technisch auch sehr toll, aber es sind die Dialoge und die Sprache der Figuren. Da wird dann wirklich vom "trainieren" gesprochen im 9. Jahrhundert oder so. Oder die Frauen sind alle so emanzipiert und tough, das ist wie in einem schlechten Historienroman eine schwangere Frau sagt "soll ich abtreiben oder mich scheiden lassen", und das ist mir sehr sauer aufgestoßen. Das passt einfach nicht. Die Figuren sind zu jetztzeitig. Es kann keiner Gedanken haben vor 1000 Jahren, die man frühestens im 19. Jahrhundert hatte. Das nervt mich dann, wenn ich es ansetze im Mittelalter, sollte man auch so sprechen.

    Nun ist es für mich völlig ok, wenn jemand ein Hörspiel nicht mag: Story langweilig, Charaktere nicht überzeugend, Musik blöd oder Tempo falsch -- alles ok. Also: warum picke ich dieses Zitat (ohne Akkreditierung) heraus? Weil das ein Beispiel ist, wo mich Kritik als unfair getroffen hat. Warum? Auf mich wirkt es so, als sei dem Kritiker aus einer Präkonzeption heraus, er wisse, wie zu der Zeit gesprochen wurde, aufgestoßen, dass die Dialoge nicht passen.

    Jetzt rede ich mal genauso unverblümt: woher weiß er das denn? Das Hörspiel ist in der Zeit der Völkerwanderung angesiedelt, weil dann die Geschichte passiert ist. Also nicht im 9. Jahrhundert, sondern im 5. Jh. -- das sind mal eben 600 Jahre VOR Beginn des Mittelalters. Zu der Zeit gegen Ende des weströmischen Reiches, als es technisch und zivilisatorisch viele Dinge gab, die erst mühsam am Ende des Mittelalters wieder erfunden werden mussten. Die höfische Kultur, das, was wir meistens mit dem Mittelalter verbinden, gab es noch nicht; die "Minnekultur", von der das Nibelungenlied durchzogen ist, und die den Frauen eine untergeordnete oder Podestfunktion zusprach, gab es vorher nicht.

    Ich habe für die Recherchephase des Hörspiels tatsächlich ein Stipendium bekommen und musste am Ende einen Bericht über meine Ergebnisse schreiben. Es ging bei der Recherche nicht nur um den aktuellen Stand der historischen Forschung zum Burgunderreich, sondern auch um Wirtschaft, Gesellschaftsstruktur, Leben am Königshof (soweit bekannt), das Verhältnis zwischen Foederati und dem Römischen Reich und die Verkehrswege. Natürlich ist das Hörspiel Fiktion. Natürlich ist es "für heutige Hörer aufbereitet" und verwendet Vokabeln wie "trainieren", denn das entsprechende Wort gab es auch damals schon ("exercitium"). Wie im Mittelater gesprochen wurde, hat nichts mit der Zeit viele Jahrhunderte zuvor zu tun. Hätte ich es sprachlich mehr am Original halten sollen? Dann wäre es zwischen keltischen Dialekten, lateinisch und altgermanisch gelandet. Wem wäre damit geholfen?

    "Die Frauen sind alle so emanzipiert und tough" / "Es kann keiner Gedanken haben vor 1000 Jahren, die man frühestens im 19. Jahrhundert hatte": auch da -- woher weiß man das? Der Wissensstand ist lückenhaft und idH durch Quellen belegt, die die germanischen Stämme als Gegner sahen und im Vergleich zu Rom schlecht aussehen lassen wollten. Im Hörspiel gibt es (inkl. der 2. Staffel) mit Grimhild (Prinzessin), Gudrun (Herzogstochter), Ute (Königinmutter) und Åse (Dienerin) vier weibliche Hauptpersonen, von denen drei der "führenden Schicht" zugeordnet werden können. Natürlich sind sie selbstbewusster als einfache Landfrauen. Aber selbst letztere mussten ihre Frau stehen und waren (nach der Größe der Grabstellen und -beigaben bemessen) gleichberechtigter als im Mittelalter.

    So. Warum schreibe ich das hier? Weil es mich ehrlich gesagt trifft, wenn jemand meiner Arbeit unterstellt, ich hätte "einfach nicht drüber nachgedacht" und es mir einfach gemacht; einfach moderne Sensibilitäten über einen historischen Stoff zu stülpen. Es ist das Privileg des Kritikers, die eigene Meinung zu äußern und zu verbreiten. Lässt sich daraus auch ableiten, dass es eine gute Idee wäre, bei wahrgenommenen Diskrepanzen auch mal nachzufragen oder sich selbst zu informieren?

    Einladung zur Diskussion: was sehe ich falsch?

  • Nun ja, mal abgesehen davon, ob die geäußerte Kritik im Kern berechtigt wäre oder nicht, erscheint mir der von Dir zitierte Teil der Besprechung schon ziemlich hingerotzt, sorry. Und das mag ja oft das eigentlich Ärgerliche sein: Dass man sich wirklich intensiv mit einem Stoff beschäftigt hat und dann jemand nach all dem Aufwand sich berufen fühlt, mit einer eilig hingeworfenen Kurzkritik alles quasi in einem Federstrich zu entwerten. Ich finde, man darf von einem Kritiker, der nicht bloß darstellen möchte, ob ihm eine Produktion gefallen oder eben nicht gefallen hat, durchaus erwarten, dass er sich bei der Formulierung seiner Kritik ein bisschen Mühe macht.

    Und ich finde den Kern der Kritik, ehrlich gesagt, abwegig. Zunächst einmal geht es hier ja um die Nibelungensage. Und auch wenn Du ganz offensichtlich bemüht warst, sie in den wahren historischen Kontext zu stellen, bleibt es ein besonderer Stoff, an den man natürlich keinen dokumentarischen Anspruch stellen darf. Das wäre auch widersinnig. Würde man die Schauspielerinnen und Schauspieler Texte sprechen lassen, die nachprüfbar authentisch klingen würden, dann wäre das für unsere Ohren vermutlich gar nicht tauglich. Insofern ist das für mich Quatsch. Wer so argumentiert, muss letztlich auch Shakespeare und seine historischen Dramen verwerfen. Also bitte!

    Natürlich müssen historische Stoffe auf den heutigen Leser/Zuschauer/Hörer angepasst werden. Das versteht sich doch von selbst. Und je höher der Anspruch ist, die Wahrheit abzubilden, desto näher muss man wohl auch bei den nachweisbaren Realitäten bleiben. Aber - wie Du ja richtig sagst - wer sagt dem Hörer denn, dass dies so, wie es im Hörspiel geschildert wird, nicht tatsächlich auch zutreffend gewesen sein könnte. Privilegierte Frauen gab es schon immer, und auch solche, die sich nicht mit einem kümmerlichen Leben in der zweiten Reihe zufriedengaben. Sie waren halt, aufs Gesamte betrachtet, in der Unterzahl, aber dass es sie gab, dürfte doch wohl unstrittig sein. Warum also sollte man sie nicht in den Fokus rücken? Zumal wir es hier, wie gesagt, mit einer Welt zu tun haben, die trotz allem einem Sagenkreis entstammt. Zudem ist die Frage aufzuwerfen, ob das völlige Fehlen von starken Frauenfiguren in Umsetzungen älteren Datums (des letzten Jahrhunderts) nicht viel mehr über den zeitlichen Kontext der Hörspielproduktion als dem historischen, in dem die Handlung spielt, aussagt.

    Denn was ist denn hier die Referenz? Ein Hörspiel aus den 60'er Jahren von Konrad Halver...

    Nichts gegen den guten, alten Halver und seine Werke. Aber allein dieser Punkt weist doch darauf hin, dass hier ein Werk sehr stark durch die Nostalgiebrille betrachtet wird. Ohne jetzt diese spezielle Produktion zu kennen: Die meisten Halver-Werke scheren sich doch keinen Deut um historische Kontexte. Es sind für mich eher märchenhafte Bearbeitungen. Vielleicht höre ich mal in diese "Bezugsgröße" rein, um mir mal ein Bild zu machen, aber allein die Nennung dieses Namens lässt mich doch eher skeptisch zurück.

    Und was die Verwendung bestimmter Wörter betrifft. Klar, da kann das eine oder andere Wort sicher hervorstechen, wenn man es den heutigen Sprachgewohnheiten anpasst. So etwas wie trainieren gab es selbstverständlich schon damals, nur nannte man es eben nicht trainieren. Darüber kann man sicherlich streiten, aber unterm Strich empfinde ich das als Kinkerlitzchen. Die meisten Leute, die nach einer authentischen Sprache schreien, haben gar keine Ahnung davon, wie sie geklungen haben mag, sondern beziehen sich in Wahrheit auf eine künstlich historisierende Sprache, die einem durch vielfältige Begegnungen in Film und Fernsehen einigermaßen vertraut erscheint.

    Ich finde es übrigens überhaupt nicht schlimm, wenn sich ein Autor/Hörspielmacher äußert, weil ihm auf der sachlichen Ebene geäußerte Kritik abwegig oder gar ungerecht erscheint. Ganz im Gegenteil. Aber ich halte eben nichts davon, sich mit so etwas in Forumsdiskussionen einzuschalten. Man kann gern einen losgelösten Kommentar dazu schreiben, der für sich steht und gern auch zur Diskussion einlädt, optimalerweise in einem eigenen Format/Thread usw. Ich plädiere natürlich nicht für einen Maulkorb für Künstler. Mir geht es eher um den Ort, an dem solche Erläuterungen erfolgen. Sie sollten grundsätzlich getrennt vom aktiven und gegenwärtigen Austausch der Hörerinnen und Hörer erfolgen, sofern dieser auf einer neutralen Plattform stattfindet.

    Da Du jedoch mit Deinem Diskussionsanstoß nun gar nicht Bezug nimmst auf eine laufende Diskussion hier, ist das für mich etwas völlig anderes. Zumal Du nicht Publikumsbeschimpfung betreibst, sondern Dich sachlich mit genannten Punkten auseinandersetzt.

    Ich denke, dagegen dürfte niemand etwas haben. :)

  • Ich finde es sehr erfrischend wenn der Kreis der Hörspielliebhaber nicht nur ausschließlich aus Hörenden besteht. Von daher begrüße ich solche Diskussionsbeiträge sehr. Ich finde es auch immer sehr spannend wenn Labels nicht nur positive Resonanz sondern auch mal negative Kritiken hier veröffentlichen und dazu Bezug nehmen. Von daher Danke dafür. Ich empfinde die Kritik auch in erster Linie mal einen Ticken zu aggressiv und emotional. Das kann natürlich ein Zeichen sein, dass ihm das Thema sehr am Herzen liegt und dass man mit der Art wie man sich hier der Nibelungensaga genähert hat sein Weltbild doch massiv gestört oder sogar zerstört hat. Inhaltlich hätte ich ihr als Nicht-genau-Kenner der Materie durchaus etwas abgewinnen können, jedoch haben die Erwiderungen von Dir, Martin Seebeck dies wunderbar entkräftet. Solche Diskussionen sind dann letztlich doch für Diskutanten wie Lesende sehr fruchtbar weil man etwas lernt. Insofern hat die doch nicht so feine Kritik durchaus etwas positives bewirkt.

    Wie Akita Takeo richtig über den Hörspieltalk von morgen schrieb:

    Solange es Leute wie uns drei gibt und wir hier schreiben, bleibt es hoffentlich bestehen. Noch lange! #top#

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