HÖRSPIELKOLUMNE "GEDANKEN EINES HÖRSPIELFANS 1/2012" – Früher war alles besser?!

  • Diesen Spruch bekam man in den letzten Monaten und Jahren sehr gerne zu hören. Besonders wir Kassettenkinder blicken sehr oft neidvoll in die Vergangenheit und sehnen uns nach der Hörspielkunst der 70iger und 80iger Jahren. Viele unserer Kindheits-Erinnerungen sind eng mit Hörspielen aus dieser Zeit verbunden. Auch ich kann mich heute noch genau erinnern, was ich gemacht habe, als ich Schloss des Grauens zum ersten Mal gehört habe, wo ich mich beim Hören von Phantomsee befand und welche Krankheit ich hatte, als mich Marotsch der Vampir-Killer wieder heilte. Hier verschwimmen oftmals Hörspiel, Erinnerungen und Kindheit mit einander. Aber auch die Labelbosse staunen ob der Ihnen mitgeteilten Verkaufszahlen von unterdurchschnittlichen Hörspielserien und loben diese Zeit in höchsten Tönen.

    Aber war es früher wirklich besser? Ist die Qualität jener Hörspiele von damals wirklich über jeden Zweifel erhaben? Ich denke nicht. Abgesehen von technischen Unzulänglichkeiten (Mono, analoge Aufnahmetechnik, usw.), strotzen die Hörspiele von früher oftmals nur so von Logik- und inhaltlichen Fehlern. Die von uns alle vergötterte Gruselserie aus dem Hause EUROPA ist bestes Beispiel dafür, dass ein erfolgreiches und liebgewonnenes Hörspiel nicht immer perfekt sein muss. Viele sehr gute Serien wurden bald eingestellt. Serien, die es über eine Folgenanzahl über 10 schafften, waren ganz klar in der Minderheit. Dafür gab es viele Gründe. Einerseits waren die Labels wohl extrem erfolgsverwöhnt. Dies führte dazu dass Absatzzahlen, die heute für Jubelchöre sorgen würden, für damalige Verhältnisse einfach zu niedrig waren. Andererseits sorgte die Bundesprüfstelle für die Verbreitung jugendgefährdender Schriften für eine wahre Flut an Anklagen, die auch die Hörspielbranche nicht ausließ – Dr.Gorgo, Kongo und A Nightmare on Elm Street lassen grüßen. Überhaupt hatten Hörspiellabels nicht nur im Studio sondern auch im Gerichtssaal aller Hand zu tun. Carsten Bohn vs. EUROPA oder TSB vs. BASTEI sind nur 2 Beispiele dafür, dass die schöne alte Zeit auch ihre dunklen Schattenseiten hatten.

    Ist denn nun doch heute die „bessere“ Zeit? Ich denke nicht. Auch die Gegenwart hat so mit ihren „Hörspielproblemen“ zu kämpfen. Sinkende Absatzzahlen, Endlosserien hinter denen ein Fragezeichen steht und eine Umbruchphase bei den Hörspielmedien verunsichern den Hörspielfan. Ist es also die Zukunft, die uns eine schönere Hörspielzeit bringen wird? Wir werden sehen. Wie uns aber die Geschichte gelehrt hat, so werden wir immer der früheren Zeit nachtrauern, so gut oder schlecht sie auch tatsächlich war.

    Letztendlich gibt es die gute alte Zeit nicht. Jeder Zeitabschnitt hat seine guten und schlechten Phasen. Man soll die Vergangenheit nicht glorifizieren, die Gegenwart nicht schlecht machen und sich vor der Zukunft nicht fürchten. Wir haben es immer selbst in der Hand aus „unserer Zeit“ die gute alte und vor allem beste Zeit zu machen!

    In diesem Sinne wünsche ich euch ein glückliches und frohes Hörspieljahr 2012!!!

    Auch heuer würde ich mich wieder über Diskussionen, Antworten, PMs oder Emails bezüglich meiner Kolumne und der behandelten Themen freuen #winkewinke#

  • Und war nun eurer Meinung nach alles besser? Bessere ???, bessere Gruselserien, mehr Auswahl, mehr Abverkäufe und und und? Oder ist dies alles nur mit der nostalgischen rosaroten Brille betrachtet #gruebel# ?(

  • Ich denke nicht das es früher besser war, wir sind nur anspruchsvoller geworden. Der Konsument von heute sagt, wenn ihm was nicht schmeckt. Als Macher finde ich das aber auch gut so, denn es gibt mehr Austausch.

    Aus meiner Warte war 2011 ein sehr schweres, steiniges Jahr. Der ganze Hörspielmarkt verändert sich und aktuell versuchen wir, dass passende Rezept dafür zu finden. Vor allem gibt es heute viel, viel mehr Hörspiele im direkten Zugriff als früher, weshalb sich der einzelne Titel schlechter verkauft: Mehr Titel verkaufen weniger... das Prinzip nennt man the Long Tail...

    Was die Qualität der Produktionen angeht, denke ich schon das wir uns verbessert haben. Aber wie gesagt, die Ansprüche der Hörer (da schließe ich mich mit ein) sind auch gestiegen. Und so kommt es einem dann vor, dass es früher besser war. Zumindest denke ich, dass wir uns als Macher den neuen Marktrealitäten stellen müssen, neue Konzepte ausprobieren und weiter kämpfen, damit es auch noch zukünftig eine große Hörspielvielfalt geben kann.

    Ich denke ein großes Plus der Hörspiele ist die Mobilität und in der Richtung haben wir noch viel nicht ausgeschöpft. Seien wir mutig out-of-the-box zu denken. Das können wir kleinen Indies viel besser als die Großen (da müssen die Kennzahlen stimmen...).

    (Meine 5cent :) )


    Falk

  • Auch hier bin ich der Meinung, dass wir das schon mindestens einmal begakelt haben .... aber es kann ja nie schaden Diskussionen anzuregen ... :)

    MMn gab es früher wie heute Positives wie Negatives. ...... Es gab immer Höhen und Tiefen. ... etc. .... Der härteste und unterschiedlichste Bereich ist der der Information und des Austausches über unser Hobby und der Handel.

    Informationen gab es früher eigentlich gar nicht. Wenn es ein neues HSP gab, dann gab es das und fertig - oder eben auch nicht. Man musste regelmäßig in die Läden laufen, ... Vielleicht gabs mal eine Antwort auf einen Brief an eine Label ..........

    Austausch gab es doch nur, wenn überhaupt, im engsten Kreis oder in einem "Verein" wo man sich per Briefe austauschte oder an Vereinstreffen, etc. ......

    Handel. Früher waren die Geschäfte voll. Egal in welches Geschäft man ging, es gab eigentlich überall eine HSP-Abteilung. Selbst in vielen Kiosken, etc. gab es oft einen HSP-Ständer, etc.......

    ... wie es in allen 3 Fällen heute aussieht, muß ich ja nicht extra aufführen ....


    Ein 4. ist mir noch eingefallen : früher gab es nicht so viele Erwachsenen-HSP und Erwachsenen, die HSP gehört haben.

    . #

    Die einen kennen mich #winkewinke# - die anderen können mich#pokuss#

    " Ersteller des 1. Beitrages 2010,11+12 "

    Einmal editiert, zuletzt von NEXUS (3. Januar 2012 um 19:44)

  • Was die Qualität der Produktionen angeht, denke ich schon das wir uns verbessert haben.

    In Bezug auf die Möglichkeiten der akustischen Inszenierung würde ich dem Zustimmen. Wenn es aber um die inhaltliche Qualität der Geschichten geht, würde ich dem pauschal jedoch nicht zustimmen.

  • DiStefano: Ich gebe zu pauschalisieren ist schwierig oder sollte immer vermieden werden, würde intuitiv dennoch meinen, dass die Stoffe komplexer, die Hörspiele Erwachsener geworden sind - zumindest, wenn ich das mit meiner Kindheit vergleiche. Gut damals wie heute gibt es Gegenbeispiele :).

  • Ich betrachte mal nur die Zeit der 70er und 80er, davor und danach waren es wiederum nochmal andere Abschnitte der Hörspielgeschichte. Die 70er und 80er waren sicherlich der Höhepunkt dieses Genres, vor allem aus Herstellersicht, denn die Umsätze waren mehr als rosig.

    Es wurde sehr viel produziert und bei weitem war nicht alles Gold was glänzte.
    Doch der Reihe nach.

    Einzigartig waren sicherlich die Sprecher dieser Zeit. Hans Paetsch, Horst Frank, Gottfried Kramer, F.J. Steffens um nur einige zu nennen, hatten so markante und unverwechselbare Stimmen, gepaart mit schauspielerischer Theaterkunst, mit denen sie es schafften, selbst debilsten Groschenromanschund ala Larry Brent oder Macabros zu einem echten Hörerlebnis zu machen.
    Auch wenn viele der heutigen Stimmen in Hörspielen sicherlich sehr gute Arbeit leisten, so reichen sie aus meiner Sicht kaum mehr an die Leistungen der alten Grossmeister heran.
    Besonders stark ist dieses Gefühl vor allem beim Nachwuchs. Denn sucht man heutzutage nach guten Kindersprechern, die den Oldschoolern ala Oliver Rohrbeck, Stefan Schwade, Andreas Fröhlich oder Thorsten Sense das Wasser reichen könnten, sucht man meistens vergeblich. Die Markantheit der Kinderstimmen war so deutlich, dass es damals schon beim ersten Hören nicht schwer viel, die jeweiligen Figuren auseinander zuhalten. Bei heutigen Kinderhörspielen fällt mir das anfangs deutlich schwerer und auch die Leistungen überzeugen mich oft nicht.

    Doch wie bereits erwähnt, war früher sicherlich nicht alles besser als heute. Häufige Regiefehler und oftmals zu triviale Skripte waren nicht selten die Regel. Vor allem bei Hörspielumsetzungen aus der Weltliteratur ala Moby Dick oder Robinson Crusoe findet man aus der Zeit fast ausschliesslich Produktionen die mit ca. 40 Minuten durch den Inhalt des Buches huschten, so dass sie sich eher wie etwas zu lang geratene Trailer darstellten.
    Im Vergleich dazu findet man heute schon deutlich bessere Umsetzungen, die dementsprechende Literatur mit einer Hörspielumsetzung würdigen, die sie verdient.

    Dies fällt vor allem dann auf, wenn mir alte Produktionen in die Hände fallen, die ich früher nicht kannte und die keinen Oldschool-Bonus bei mir geniessen. Denn dieser verwirrt nicht selten die Objektivität, wie einige sicherlich nachvollziehen können. ;)

    Mein Fazit also: Früher gab es aus meiner Sicht die besseren Sprecher, aber keineswegs bessere Produktionen. Vor allem was Sound und Musiktechnisch heutzutage in diversen Produktionen geboten wird ist schon toll. Schade finde ich vor allem, dass die Zeit der schönen alten Jugendkrimis vorbei zu sein scheint, denn die drei Fragezeichen, TKKG oder Fünf Freunde sind leider keineswegs mehr das was sie mal waren.

    Just my 2 cents!

  • frank_boldewin: #danke# für Dein ausführliches Posting. Dieses deckt sich so ziemlich auch mit meiner Meinung #jaja#

    Zitat

    Dies fällt vor allem dann auf, wenn mir alte Produktionen in die Hände fallen, die ich früher nicht kannte und die keinen Oldschool-Bonus bei mir geniessen. Denn dieser verwirrt nicht selten die Objektivität, wie einige sicherlich nachvollziehen können.

    Eine Erfahrung, die ich auch immer wieder mache, wenn ich alte Hörspiele kaufe, die ich aber in meiner Kindheit nicht gekannt habe. Ohne Nostalgie-Bonus klingen sie oftmals nicht so toll...

  • Ich würde sagen, früher hatten die Hörspiele Logikfehler, dafür haben die Sprecher aber oft wesentlich besser ihre Rollen gespielt, die Soundkulisse war liebevoller und die Schauspieler waren unverwechselbarer.

  • Auf den Punkt gebracht, könnte man meinen, dass die früheren Hörspiele einfach nicht so perfekt waren, wie heute, aber der Hörspielgenuss dadurch nicht weniger war.

  • Also, ich habe bisher noch kein einziges PERFEKTES Hoerspiel gehoert. Sowohl in der Vergangenheit, als auch heute. Und ganz sicher sind heutige Hoerspiele immernoch weit von Perfektion entfernt. Sie haben lediglich einiges aus der Vergangenheit gelernt, dafuer aber auch vieles auf der Strecke gelassen. #hutheb#

    der Joe

    "Weiche aus, um nicht weh zu tun. Tue lieber weh, als zu verletzen. Verletze lieber, als zu töten. Töte nur, um nicht selbst getötet zu werden. Ruhst du in dir selbst, wird es dir gelingen, dich daran zu halten."

  • Zitat

    Sie haben lediglich einiges aus der Vergangenheit gelernt, dafuer aber auch vieles auf der Strecke gelassen.

    Gut gesagt #jaja#

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