Dreamland Grusel 30: Zeit der Angst (Rezension)


  • In der Krimikomödie Eine Leiche zum Dessert (org.: Murder by Death) aus dem Jahre 1976 läd der Millionär Lionel Twain fünf berühmte Detektive in sein Schloss ein, um ihnen zu beweisen, dass er ein besserer Ermittler ist als sie. Nachdem Twain seinen Gästen beim Dinner eröffnet hat, einer der Anwesenden sei ein Mörder, kommt kurz darauf tatsächlich jemand gewaltsam ums Leben: Lionel Twain! Die Detektive durchstreifen daraufhin auf der Suche nach Spuren, die zum Täter führen, das Haus, wobei sie selbst immer wieder zum Ziel heimtückischer Attacken werden. Neben einschlägigen Horrorfilmen der letzten Zeit ist es vor allem dieser Filmklassiker, von dem Evelyn R. Boyd und Thomas Birker sich für ihr Hörspiel Dreamland Grusel 30: Zeit der Angst haben inspirieren lassen – auf Grusel getrimmt und mit Magiern statt Detektiven. Mit einer Spielzeit von ca. 64 Minuten seit dem 25. August 2017 im Handel ist.

    "'Hiermit werden Sie herzlich eingeladen, zu einem Dinner und einer magischen Show zum Dessert. Im Rahmen dieses Events fordere ich Sie zu einem Wettstreit der Talente auf. Dem Gewinner winken 1 Million Pfund und der Titel 'Größter Zauberkünstler der Welt!'" - Mit dieser Einladung weckt ein gewisser Daniel Twain bei fünf Männern und einer Frau den Ehrgeiz, das Geld und den Titel für sich zu gewinnen. Doch es ist eine brandgefährliche Falle, denn das Herrenhaus, auf das er sie eingeladen hat, ist gespickt mit tödlichen Fallen und diese müssen sie im Duell mit der Zeit überwinden. Als es das erste Todesopfer gibt, beginnt für sie alle die... Zeit der Angst. (Klappentext)

    Man muss wahrlich keine große Spürnase sein, um die Gemeinsamkeiten zwischen Eine Leiche zum Dessert und Dreamland Grusel 30: Zeit der Angst zu erkennen. Der Nachname des Gastgebers (im Film gespielt von Truman Capote, im Hörspiel von Marc Schülert), das Setting und die Prämisse des Hörspiels verweisen eindeutig auf den Film, wie auch die Gestaltung der Charaktere. Handelt es sich bei den Detektiven in Robert Moores Film um Parodien auf berühmte Kriminalromanhelden, so sind die Zauberkünstler in DLG 30 an reale Magier angelehnt: Die Entfesselungskünstlerin Mimi LaRue (Marie Bierstedt) ist eine Art weiblicher Houdini; die Brüder Simon & Luc (Benjamin Stolz, Christian Stark), die in ihrer Show Tiere einsetzen, erinnern nicht zufällig an Siegfried & Roy; Richard Perrier (Helmut Krauss), der schon einmal den Nachbau des Eiffelturms in Las Vegas hat verschwinden lassen, ist selbstredend eine deutliche Referenz an David Copperfield. Perriers Künstlername "Der große Milo" ist dabei natürlich kein Zufall, sondern ein weiterer Verweis auf Eine Leiche zum Dessert, wo als Persiflage auf Hercule Poirot ein gewisser Milo Perrier vorkommt. Vervollständigt wird Twains Gästeliste durch den Ex-Magier Ray Clark (Martin Keßler), das Großmaul Paul van Houten (Bodo Wolf) samt dessen naiv-oberflächlichen Assistentin Monique (Katharina von Daake). Die Aufgabe, noch kurz vor seinem Feierabend die Gäste zu bewirten, übernimmt der Butler James (Dieter Landruis). Auch in DLG 30 geht es schlussendlich um die Aufklärung eines Mordes, werden die Magier von Twain auf eine unfreiwillige "Besichtigungstour" durch das Anwesen geschickt, bei der das Leben der Protagonisten eins ums andere Mal auf auf dem Spiel steht.

    Die Fülle an Parallelen zwischen Eine Leiche zum Dessert und dem aktuellen Hörspiel von Dreamland Productions lässt letzteres auf den ersten Blick möglicherweise wenig einfallsreich erscheinen. Doch betrachtet man Dreamland Grusel 30: Zeit der Angst isoliert, dann ist dem Duo Boyd/Birker durchaus ein kurzweiliges, vom Tempo her straff inszeniertes Hörspiel gelungen. Zwar ist es unterm Strich nach dem Sieben-kleine-Magierlein-Schema konstruiert, doch die Frage, welcher Zauberkünstler wohl Twains nächster Prüfung zum Opfer fallen wird, hält das Interesse es Zuhörers am Schicksal der Charaktere wach. Der Aspekt, dass sich unter ihnen ein Mörder befindet, gerät angesichts der Gefahren, denen sich die Mitglieder der Gruppe immer wieder ausgesetzt sehen, zwischenzeitlich in den Hintergrund, bildet jedoch das zentrale Thema des Finales, in das der Plot nach ca. einer Stunde und dem Absolvieren eines gut angelegten Handlungsbogens schließlich mündet. Zu diesem Zeitpunkt haben Boyd/Birker dem Publikum zwar schon einen deutlichen Fingerzeig auf die Identität des Mörders gegeben, doch nun wird sie endgültig enthüllt, so wie sich auch Twains Verbindung zum Opfer offenbart. Leider bleibt Twains Motivation, warum er den Täter unbedingt seiner Bestrafung zuführen will, das einzig Überzeugende an diesem Finale. Ohne Not gießt das Autorengespann einen großen Bottich rührseligen Kitsches über den Charakteren aus, der diese beinahe zu Karikaturen werden lässt, und bemüht zu allem Überfluss auch noch ein paranormales Element, um einige Risse in der Handlungslogik zu kitten. Zweifellos hätte manches am Handlungsverlauf in der Rückschau ohne diese eiligst eingeschobene Erklärung schon sehr nach Zufall ausgesehen, doch bei einer Geschichte, die ohnehin nur Spielverderber auf Logik abklopfen, wäre "Ist nun einmal so" eine bessere Lösung gewesen als das, was hier an Begründung geliefert wird. Und was den Kitsch angeht, den das Hörspiel bis dahin vermieden hatte: Solche Stilwechsel in den letzten Minuten sollten eigentlich ein No-Go sein.

    Das Studio bewirbt Dreamland Grusel 30: Zeit der Angst mit den Worten "Das erste Hörspiel seiner Art in Echtzeit", und tatsächlich gehen Erzählzeit und erzählte Zeit Hand in Hand. Ein nettes Gimmick, das allerdings seine Wirkung kaum entfalten kann, da es keine Situation gibt, in der die Magier Zeit verlieren, die sie unter Hochdruck wieder aufholen müssten. Im Gegenteil wird ihnen sogar in einer Szene von Twain mitgeteilt, sie lägen gut in der Zeit. So baut man natürlich kein Spannungsmoment auf. Stattdessen sorgt die Echtzeitinszenierung eher für Kuriositäten; z.B. dann, wenn van Houtens Assistentin Monique einmal dringend die Toilette aufsuchen muss und Charles Perrier sich schon nach 12 Sekunden (!) darüber beschwert, was denn da solange dauere. Nun ja, schreiben wir es der angespannten Stimmung zu...

    Bis das Finale ansteht, ist Dreamland Grusel 30: Zeit der Angst eine solide Geschichte, getragen von einem souverän agierenden Cast und einem von Tom Steinbrecher mit sicherer Hand ausgeführten Sounddesign, das zusammen mit der Musik von Steinbrecher und Andreas Max einen stimmigen Klangraum für das Geschehen ergibt. Gemäß der Theorie des legendären Ray Bradbury, nach der ein durchschnittlicher Film mit einem großartig gemachten Finale als guter Film in Erinnerung bleibt, hätten tolle letzte Minuten dieses Hörspiel allerdings noch auf einen höheren Level heben können. Diese Chance wurde von Evelyn R. Boyd und Thomas Birker jedoch leider nicht genutzt. Somit bleibt einem Dreamland Grusel 30: Zeit der Angst als ein über weite Strecken unterhaltsames Hörspiel mit einem eher mäßigen Schluss in Erinnerung, das den interessanten Versuch darstellt, den Basisplot von Eine Leiche zum Dessert einmal als Gruselgeschichte zu interpretieren.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!