Man merkt dem Hörspiel durchaus an, dass einige Arbeit in das Skript gesteckt wurde, in erster Linie wohl in die Konstruktion. Aufgebaut wie eine Novelle, deren Rahmen- und Binnenhandlung zum Finale ineinander übergehen? Schöne Fingerübung für einen Autoren und auch gut gelöst, wie ich finde.
Dennoch hat mir das Hörspiel nicht sonderlich gut gefallen. Rein handwerklich stören mich das uneinheitliche Musikdesign, deskriptive Dialoge insbesondere in der ersten Hälfte und die teils nach Groschengrusel klingenden Szenen. Auch kam weder sonderliche Spannung auf noch hatte es eine gruselige Atmosphäre zu bieten, die einen hätte gefangennehmen können. Es läuft also alles auf eine Story mit großem Knalleffekt zum Schluss hinaus - und dafür ist es dann wieder zu lang geraten. Unter einer Stunde hätte locker gereicht, um diese Geschichte (besser) zu erzählen. Toll sind aber alle Sprecher*innen, die wirklich ihr Bestes geben.
Was mich am meisten gestört hat: Das Hörspiel gibt sich ja als Sequel zu Dracula, in dem der Sohn von Dr. Seward die Hauptrolle spielt. Dagegen ist erst mal nichts zu sagen, aber warum wird dann die Handlung und insbesondere das Ende des Romans komplett ignoriert bzw. dreht das sogar in das komplette Gegenteil?
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Dracula ist ein für alle Mal tot und Mina von seinem Einfluss befreit. So endet Stokers 'Dracula'. Im Hörspiel hingegen ist Mina nicht gerettet, sondern lebt als Untote seit 30 Jahren mit dem Grafen zusammen. Entweder ist das also von Anfang an als 'Was wäre wenn-Geschichte' gedacht gewesen oder zwischen dem Ende des Romans und diesem Hörspiel muss noch etwas anderes passiert sein, von dem wir nichts wissen. Etwas, das irgendwie die Rückkehr des Grafen verursacht hat und Mina wieder zu ihm getrieben hat.
Aber vielleicht habe ich trotz zweimaligen Hörens auch nur etwas überhört oder falsch verstanden?
Alles in allem schade, aus der Grundidee hätte man mehr machen können.
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Hallo Troll!
Vielen Dank erstmal, dass du meine Geschichte so aufmerksam gehört hast und so ausführlich deine Meinung geäußert hast! Schade, dass ich dich nicht vollends damit überzeugen konnte
Zur technischen Umsetzung muss ich sagen, dass ich darauf in der Regel wenig bis gar keinen Einfluss habe. Ich versuche einfach, so gut wie möglich in den Regieanweisungen mitzuteilen, was ich mir vorstelle.
Nun aber zum Inhalt. Tatsächlich war diese Geschichte nicht als Fortsetzung von Dracula gedacht. Der Roman an sich ist ein so berühmtes und großartiges Werk, ich käme niemals auf die Idee, mich mit so etwas zu messen!
Tatsächlich ist dieses Hörspiel eher als Hommage gedacht. Als Variante, als Interpretation von klassischen Vampirgeschichten. Tatsächlich ist Dracula die am häufigsten verfilmte Figur der gesamten Filmgeschichte. Und da gibt es ihn in unzähligen Darstellungen und Variationen. Christopher Lee z.b hat Grafen mehrere Male dargestellt, die erste Verfilmung von Hammer z.B. lässt Jonathan Harker als einen Agenten von Van Helsing Auftreten, der früh im Film verstirbt. In den weiteren Filmen gibt es immer irgendwelche merkwürdigen Gründe warum Dracula wieder aufersteht. In einem Film landet er sogar plötzlich im Jahr 1970...Die Figur des Dr Seward kommt in vielen , wahrscheinlich den meisten Verfilmungen überhaupt nicht vor. Lettlich liefern die meisten wie gesagt immer nur Versatzstücke und Varianten. Ich habe ja auch bei mir bewusst noch andere Vampirgeschichten einfließen lassen.
Letztlich ist das natürlich Geschmackssache, ob man es dann am Ende mag. Wenn es bei dir nicht so gezündet hat, dann ist es schade, aber so läuft es ja immer beim Geschichten erzählen. Entweder man hat Spaß daran oder eben nicht. Vielleicht gelingt es mir ja beim nächsten Mal, dich wieder abzuholen! Kennst du Ladies Night? Das ist eine modernere Interpretation des Themas Vampire. Vielleicht wäre das etwas für Dich?!
Aber wie gesagt, ich danke dir sehr für die ausführliche Besprechung! Als Autor ist das sehr nützlich zu hören!
Ich wünsche dir noch einen schönen Abend!