John ist sich immer noch nicht sicher, was er von Mandragoro halten soll und fragt sich, ob der Herr des Waldes vielleicht nur bewahren und beschützen will. Wenn nötig schreckt er aber offensichtlich auch nicht davor zurück, John seine Kreaturen auf den Hals zu hetzen. Die ambivalente Haltung Mandragoros kommt in dieser Folge gut zur Geltung und man bekommt auch einen Eindruck von seiner Macht, als er in der entscheidenden Schlacht diverse Wurzeln, Baumstämme und Lianen in Bewegung setzt, um seine Geschöpfe im Kampf gegen Lupinas Armee zu unterstützen. Gut gefallen hat mir auch, dass John sich im Wald (wohl zu Recht) ständig beobachtet gefühlt hat, da Mandragoro als Naturdämon theoretisch von sämtlichen Pflanzen Besitz ergreifen kann.
Suko setzt derweil seine Ermittlungen im Orlock-Fall fort und erkundet zusammen mit Alexandra van Dyke eine unheimliche Krypta in den Gewölben unterhalb der Festung von Trevose. Die Nebenhandlung um den Orlock fügt sich gut in die Handlung ein und die Para-Projektionen sind mal eine gelungene Abwechslung von den gewöhnlichen Gegnern. Gefallen hat mir hier außerdem der Auftritt von Asmodis. Er offenbart sich spöttisch als eigentlicher Strippenzieher im Hintergrund, der Lupina und Mandragoro gegeneinander ausspielt und darauf hofft, dass John vielleicht auch noch zwischen den Fronten zerrieben wird.
In der Zwischenzeit wird Bill noch immer von Edna Seymour im Keller festgehalten und dort mit einem der wiedergekehrten Säureopfer konfrontiert. Von den drei Handlungssträngen dürfte der um Bill wohl der am wenigsten interessante sein. Vielleicht hätte man diese Nebenhandlung streichen sollen und Bill stattdessen mit John und Morgana auf den Wolfsfelsen geschickt. Dann wäre vermutlich auch etwas mehr Zeit für Dialoge mit Lupina gewesen, die hier in ihrer letzten Folge fast ein bisschen zu kurz kommt.
Kurz vor der alles entscheidenden Schlacht treffen John und Lupina noch einmal aufeinander. Die Szene wirkte durch die Anspielungen auf die Mordliga-Zeiten sehr nostalgisch, man erinnert sich an Ereignisse aus weit zurückliegenden Hörspielen wie Folge 35 'Königin der Wölfe' oder Folge 74 'Lupinas Sohn'.
Der große Kampf zwischen Lupinas Werwölfen und Mandragoros Kreaturen ist episch inszeniert und der Herr des Waldes greift durch seine Macht über die Pflanzenwelt auch tatkräftig in das Geschehen ein. Wer die Romanvorlage kennt, wird wenig überrascht sein, dass das Unvermeidliche passiert und Lupina von Mandragoro tödlich verwundet wird. Ehrhardt gibt Lupinas Ende aber wie erwartet noch einen besonderen Twist. Während sie im Roman nach der Vergiftung durch Mandragoro direkt stirbt und zu einem kopflosen Gerippe zerfällt, erhält sie im Hörspiel den Gnadenstoß von John und wird durch die Magie des Kreuzes zu einem Häufchen Staub.
Das ist einer von mehreren Punkten, in denen sich Lupinas Ende von der Romanvorlage unterscheidet. Im Hörspiel bittet sie John darum, ihr mit dem Silberkreuz den Todesstoß zu geben, da sie nicht durch die Hand eines anderen Dämons sterben will. Dagegen macht sie im Roman die gänzlich gegenteilige Aussage und sieht es als persönlichen Triumph an, dass John sie eben bis zuletzt nicht töten konnte, sondern dass sie am Ende von Mandragoro vergiftet wurde.
Während John im Hörspiel noch einen einigermaßen versöhnlichen Ton anschlägt und Lupina zusammen mit Morgana vorgaukelt, dass die Werwölfe gewonnen hätten, reibt John der sterbenden Lupina in der Romanvorlage noch knallhart unter die Nase, dass er sich über ihr Ende freut. Mit ihrem letzten Atem wünscht Lupina John daraufhin im Roman, dass er zur Hölle fahren möge. Im Hörspiel wirken ihre letzten Worte dagegen fast schon wie ein Liebesgeständnis, auch wenn sie den Satz nicht mehr komplett über die Lippen bringt und John anschließend etwas ratlos zurückbleibt.
Mit Lupinas Vernichtung ist das Kapitel Mordliga nun also endgültig abgeschlossen. 18 Jahre lang war Lupina in der Edition 2000 dabei, von ihrem ersten Auftritt in Folge 35 'Königin der Wölfe' (Juni 2006) bis zu ihrem Ende in Folge 169 'Lupina gegen Mandragoro' (März 2024). Wie von Fenris bestimmt wird Morgana Layton nun also Lupinas Nachfolgerin als Herrin der Werwölfe. Es wirkt wie das Ende einer Ära, denn schon in wenigen Wochen wird mit Hector de Valois und der Einführung der Templer in Folge 170 'Ein Grab aus der Vergangenheit' ein komplett neues Kapitel aufgeschlagen, das die Serie in den nächsten Jahren wohl in Atem halten wird. Später im Jahr 2024 können wir dann wohl auch mit dem ersten Auftritt des Grusel-Stars Vincent van Akkeren rechnen. Und wer weiß, vielleicht taucht auch Akim Samaran in Folge 174 'Das Richtschwert der Templer' noch einmal auf, sein scheinbarer Abgang in Folge 165 'Mit Blut geschrieben' wäre nämlich etwas würdelos für so einen wichtigen Gegner...
Alles in allem sind die Folgen 168 'Der grausame Wald' und 169 'Lupina gegen Mandragoro' ein erstes Highlight im noch jungen Sinclair-Jahr 2024, in dem voraussichtlich noch einige weitere Meilensteine folgen werden. Es lohnt sich auch wieder einmal, beide Folgen direkt nacheinander zu hören, ansonsten ist der Cliffhanger am Ende der Folge 168 wohl recht frustrierend. Ich habe mit dem Hören auch gewartet, um den Zweiteiler dann nach dem Release der Folge 169 Ende März in einem Durchlauf zu genießen.
Bei den Sprecherleistungen sind diesmal natürlich Claudia Urbschat-Mingues als Lupina und Maria Koschny als Morgana Layton besonders hervorzuheben. Erik Schäffler als Asmodis ist ebenfalls jedes Mal ein Hörvergnügen, er hat eine ähnlich dröhnende Stimme wie einst Bernd Rumpf in dieser Rolle.