Man darf einfach das Angebot des Marktes nicht gleichsetzen mit einer Messskala für den Erfolg dieses Marktes. 1.000 unterschiedliche Neuerscheinungen in einem Saturn können vor allem 1.000 Retouren und somit 0 Verkäufe bedeuten.
Wenn man ein bisschen genauer hinschaut, dann wäre ein deutlich aussagekräftigerer - und trotzdem nicht verlässlicher - Indikator, wieviele dieser Sachen...:
A. ...in Serie sind (kommt eine neue Sache wirklich über einen Testballon hinweg?)
B. ...von Produktionsgemeinschaften stammen, die auf Verkäufe möglichst am Erscheinungstag angewiesen sind
Wenn ich so manche Abteilung hier in Berlin anschaue, dann finde ich dort vor allem eine Unmenge an Hörbüchern/Hörspielen, die ich dort seit Monaten oder noch länger immer wieder sehe, es verkauft sich scheinbar auch im Hörbuch-Bereich verdammt wenig und die Abteilung im Saturn Alexanderplatz ist mittlerweile von einem kompletten Wandregal in der CD-Abteilung zu einer kleinen Niesche im Kassenbereich zwei Stockwerke unter der Musikabteilung verkommen, mit einem Sortiment, bei dem ich gestern auch als Kunde einfach nur gekotzt habe.
Also, vollgestopfte Regale und immer neue Produktionen sind - und das ist unsere eigene Erfahrung mitten drin im Haifischbecken, statt nur von außen durch die Aquarienwände bewundert - vor allem ein Indikator für ein Medium, dass beim Ertrinken zappelt wie verrückt und in seiner Hilflosigkeit einen Testballon nach dem anderen startet, aber eben doch jeden Tag ein bisschen tiefer sinkt.
Und zum Thema "Surround" mal in aller Deutlichkeit:
Leute, das ist ein kleines Extra, ein Schmankerl. Aber MEHR NICHT. Selbst die effektreichsten FILME im Kino sind doch zu 99,9 Prozent in Stereo. Wieviele beeindruckende und das Kinoerlebnis wirklich unverzichtbar bereichernde Elemente habt ihr wirklich aus den Kinoboxen neben und hinter euch erlebt? Achtet doch mal beim nächsten Besuch darauf, das ist fast nix.
Und Surround beim Hörspiel hat noch ein weiteres Problem gegenüber dem Kino - dadurch, dass im Kino der Blickwinkel durch die Leinwand vorgegeben ist, kann der Filmemacher mit Surroundeffekten ganz anders arbeiten als wir beim Hörspiel. Wenn im Kino Smaug um Bilbo herum schleicht, dann kann Peter Jackson genau festlegen, aus welcher Ecke des Saals der Drache zu hören ist. Das geht bei uns und unserem Headphone Surround 3D nicht, da die Bewegung des Kopfes auch die Position der Suround-Belegung ununterbrochen verändert. So wird aus einem mühsam abgemischten Surrounderlebnis nahezu permanent eine Klangsauce, die wir nicht beeinflussen können, denn kein Hörer unserer CDs würde sich gerne beim Hören irgendwo mit dem Kopf festnageln.
Klar, wir könnten die angehen, die ebenfalls eine Heimkinoanlage haben. Aber auch hier: Ehrlich, meint ihr nicht, dass Leute wie Sassenberg Gabriel Burns mittlerweile nur noch als DVD in Surround rausbringen würde, wenn die Nachfrage da wäre? Produzierende Sound-Ästheten würden Purzelbäume schlagen, dürften sie ihre Geschichten noch vielschichtiger umsetzen.
Und hier ist das ewige Problem:
DER MEDIEN-KONSUMENT will unterm Strich gar kein Surround bei Hörspielen
DER MEDIEN-KONSUMENT will mittlerweile auch keine Hörspiele mehr
Klar, der einzelne Hörspielfan oder -macher sieht natürlich in erster Linie sich selber und fühlt die Welt, als ob alle Hörspiele lieben müssten. Fakt ist aber, dass bereits im engsten Familienkreis fast niemand Interesse an meiner Arbeit hat - und da sind ne Menge Leute dabei, die zum Beispiel zu allen Theaterauftritten kommen etc. Das Interesse an mir und meiner Arbeit ist durchaus da, aber eben nicht am Medium Hörspiel. Das ist die Wahrheit, die ich überall und bei jedem höre. Keiner hat wirklich nennenswert Interessenten um sich herum.
Hörspiel IST Telegramm. Hörspiel IST Grammophon. Hörspiel IST Stummfilm.
Wer würde ernsthaft behaupten, dass Telegramm, Grammophon oder Stummfilm den Trend verpasst haben? Daraus wurden E-Mail, mp3-Player und Video on Demand. Dieser ewige Scheiß mit "Da wurde ein Trend verpasst" als wütende Begründung von Liebhabern einer aussterbenden Sache ist nur noch nervig. Ihr habt recht, es sind nicht die Raubkopierer, es sind auch nicht die bösen Märkte, aber es sind auch keine verpassten Trends! Die Welt entwickelt sich täglich weiter und entwickelt neue Dinge. Alte Dinge sterben aus, um Platz zu machen.
Wir alle finden Dinosaurier toll, im Museum, im Film etc. Aber auch die sind ausgestorben. Ist nun das "Aber ich mag es doch, dann kann es doch nicht vorbei sein" ein echter Grund dafür, dass Dinosaurier nur toll sein könnten, wenn sie noch leben? Nein, wir alle können Hörspiele auch toll finden und mit viel Liebe produzieren/konsumieren, WÄHREND Hörspiele aussterben.
Und genau das tun sie. Das ist ne simple Faktengeschichte. Wenn ein Laden wie der Hörplanet erfolgreich ist, weil er mit Lady Bedfort mittlerweile an Folge 90 rumproduziert, dann sollte man trotzdem nie vergessen, dass auch im neunten Jahr seit Firmengründung nur zwei Leute davon leben können, und auch das manchmal mehr schlecht als recht.
Hörspiel stirbt. Und es liegt an euch treuen Hörern, ob es ein langsamer Tod sein wird, dessen echtes Ende wir nicht mehr erleben müssen, oder ob es noch schneller gehen wird.
Aber wer in der Intensivstation am Bett des hinrtoten Patienten steht und außer "Die Ärzte haben den Trend verpasst, ich weiß genau, was helfen würde: einfach mal mehr Werbung" nichts weiß, der sollte vielleicht doch besser angemessen traurig ob der reelen Situation sein, weinen und dankbar sein für alles, was WAR. Und nicht in blinder Angst vor dem Verlust oder Aggression aufgrund der Entwicklung irgendeine Schuld suchen.
Eine Nische wird es immer geben, keine Frage. Aber ich bezweifle, dass diese ausreichen wird, um den Spagat zwischen "Genug Einnahmen, um Qualität halten zu können" und "Kostengünstig genug, um mit sehr wenig hinzukommen" hinzubekommen. Weniger als jetzt darf es jedenfalls nicht mehr werden, sonst sind wir alle weg vom Fenster.
Viele Grüße,
Dennis