Dreamwalker - 5. Baltimore Killers

  • Dreamwalker - 5. Baltimore Killers

    Professor Chamberlain steht kurz vor dem psychischen Zusammenbruch. Mit seinem jüngsten „Dreamwalker“-Experiment will er endlich den Beweis liefern, dass es erdgebundene Geister wirklich gibt – Seelen von Menschen, denen der Zugang ins Jenseits verwehrt wurde und die seitdem rastlos zwischen den Welten gefangen sind. Doch das, was als wissenschaftlicher Versuch beginnt, endet in einem Albtraum, der die Grenzen zwischen Leben und Tod auf grausame Weise verwischt. Zur gleichen Zeit erhält Privatdetektiv Terry Gattuso einen Auftrag, der ihn tief in die Abgründe Baltimores führt. Ein wohlhabender Klient will den Mörder seiner Frau finden und ihm die gerechte Strafe zukommen lassen. Doch Gattuso erkennt schnell, dass es sich um einen Fall handelt, der über die irdische Ebene hinausreicht. Nur Rachel Myers, die begabte Dreamwalker-Agentin mit der Fähigkeit, zwischen Traum und Realität zu wandeln, kann helfen. Ihre Spur führt zu einem verlassenen Friedhof – einem Ort, an dem zwei Männer ruhen, die einst als die gefürchteten Baltimore Killers bekannt waren. Aber sind sie wirklich tot?

    Mit Baltimore Killers erweitert Jordan Styles das Universum seiner Dreamwalker-Reihe um eine der atmosphärisch dichtesten und psychologisch stärksten Episoden bisher. Schon in den ersten Minuten breitet sich eine unheilvolle Stimmung aus, die wie ein Nebel in die Szenen kriecht. Der Übergang zwischen Realität und Traumwelt ist fließend, beinahe unmerklich – und genau darin liegt der Reiz dieser Folge. Statt sich auf schnelle Schockmomente zu verlassen, setzt Styles auf einen schleichenden, fast elegischen Horror, der tief unter die Haut geht. Das Hörspiel verbindet Mystery, Thriller und metaphysische Philosophie zu einer packenden Mischung aus Wissenschaft und Wahnsinn. Was ist real, wenn selbst das Bewusstsein kein sicherer Ort mehr ist? Professor Chamberlain verkörpert den menschlichen Drang, Antworten zu erzwingen – selbst auf Kosten seiner Seele. Rachel Myers hingegen wird einmal mehr zur Schlüsselfigur zwischen den Welten, zerrissen zwischen Empathie und der Angst, in den Schatten der Träume verloren zu gehen. Der Plot verzahnt diese beiden Ebenen kunstvoll miteinander: Während Chamberlain das Tor öffnet, das nie hätte geöffnet werden dürfen, betritt Rachel eine Welt, aus der es kein Erwachen mehr gibt.

    Die Inszenierung ist von Anfang an ein Musterbeispiel für kontrollierte Spannung. Regie und Produktion schaffen es, eine dichte, beklemmende Atmosphäre aufzubauen, ohne sich in Effekten zu verlieren. Stattdessen herrscht ein erzählerischer Minimalismus, der die Angst aus dem Unsichtbaren zieht. Wenn Chamberlain sein Experiment startet, wirken die Geräusche – das Summen der Maschinen, das leise Flackern der Elektrizität, das metallische Klicken – wie Vorboten eines Unheils, das sich langsam in Bewegung setzt. HM Audiobooks gelingt es, die beiden Erzählstränge – den wissenschaftlichen und den detektivischen – in einem stetigen Wechselspiel zu führen. So entsteht eine Sogwirkung, die den Hörer unweigerlich in die Tiefen der Geschichte zieht. Besonders stark ist der Mittelteil, in dem Traumsequenzen und Realität nahtlos ineinander übergehen. Kein harter Schnitt, kein künstlicher Übergang – stattdessen gleitet man langsam in das Unbekannte, bis man selbst nicht mehr sicher ist, in welcher Welt man sich befindet. Dieses raffinierte Spiel mit Wahrnehmung und Bewusstsein ist eine der größten Stärken dieser Episode.

    Das Ensemble überzeugt mit einer durchgehend intensiven Darbietung. Saskia Haisch führt als Erzählerin klar, ruhig und mit feinem Gespür für Spannung durch die düstere Geschichte. Christiane Werk verleiht Rachel Myers eine verletzliche Entschlossenheit, die sie zu einer glaubhaften Heldin macht – sensibel, aber stark. Michael Bideller gibt Professor Chamberlain eine faszinierende Mischung aus Besessenheit und Verzweiflung; seine Stimme trägt die Tragik des Forschers, der sich selbst überlistet. Heinrich Bennke als Privatdetektiv Gattuso sorgt mit seiner markanten, rauen Tonlage für Bodenhaftung inmitten des Übernatürlichen. Ann Vielhaben, Beate Gerlach, Nils Kreutinger, Katja Keßler, Ilka Körting und Carsten Wilhelm ergänzen das Ensemble mit präzisen, glaubwürdigen Nebenrollen, die selbst kleinen Szenen Tiefe verleihen. Besonders hervorzuheben ist, wie homogen das Zusammenspiel aller Stimmen wirkt – nichts klingt gestellt, jede Figur atmet, lebt, erinnert.

    Das Sounddesign von Eric Onder de Linden ist ein herausragendes Beispiel für akustische Dramaturgie. Die Mischung aus Realität und Traum wird hier nicht erklärt, sondern fühlbar gemacht: schwebende Klänge, rückwärtslaufende Echos, entfernte Stimmen, die wie aus einer anderen Dimension zu kommen scheinen. Jeder Ton hat Bedeutung, jedes Geräusch verstärkt die Stimmung. Die Balance zwischen Dialog, Musik und Geräusch ist perfekt austariert – kein Element drängt sich vor, alles wirkt wie ein sorgfältig komponiertes Ganzes. Die Musik begleitet das Geschehen zurückhaltend, aber wirkungsvoll. Mal sind es sphärische Flächen, mal tief vibrierende Töne, die an den Puls eines Alptraums erinnern. In besonders intensiven Szenen wird die Musik fast unhörbar – ein kluger Kunstgriff, der den psychologischen Druck nur noch verstärkt.

    Das Cover, gestaltet von Dorothe Wouters (Darkmoon-Art), fängt die Essenz dieser Episode mit beeindruckender Präzision ein. In sepiafarbenem Nebel erhebt sich ein Grabstein – Symbol für das, was begraben, aber nicht vergessen ist. Daneben das Gesicht einer Frau, halb im Schatten, halb erleuchtet, die Augen glühend wie in Trance – Rachel Myers selbst, gefangen zwischen Schlaf und Tod. Das Design ist minimalistisch, aber voller Andeutung. Die Farbwahl in Braun- und Goldtönen vermittelt eine morbide Eleganz, während das Layout den Titel kraftvoll in Szene setzt. Eine perfekte visuelle Übersetzung des Themas: Tod, Erinnerung, Traum.

    "Baltimore Killers" ist ein Hörspiel, das sich tief in die Psyche schleicht. Es arbeitet nicht mit vordergründigem Horror, sondern mit subtiler Bedrohung, mit Fragen nach Schuld, Geist und Bewusstsein. Jordan Styles beweist hier erneut sein Talent, Spannung und Philosophie miteinander zu verweben – und eine Geschichte zu erzählen, die ebenso fesselnd wie beunruhigend ist. Die starke Regie, das brillante Sounddesign, die hervorragenden Sprecher und das stimmungsvolle Artwork ergeben ein Gesamtwerk, das sowohl inhaltlich als auch atmosphärisch überzeugt. Baltimore Killers ist kein einfacher Mystery-Thriller – es ist eine Reise ins Unterbewusstsein, an den Ort, an dem Albträume geboren werden.

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