Pumuckl und das grosse Missverständnis (Filmkritik)
Seitdem der Film im Frühjahr angekündigt wurde, habe ich mich ehrlich und mit kindlicher Vorfreude auf ihn gefreut. Der kleine Kobold begleitet mich schließlich seit Jahrzehnten. Pumuckl war nie nur eine Figur für mich – er war ein Stück Zuhause, ein vertrauter Tonfall, ein Lachen, das mich durch Kindheit und Jugend getragen hat. Ich habe ihn gehört, bevor ich ihn gesehen habe. Ich erinnere mich noch heute an die Wärme dieser Stimme, an das Scheppern von Meister Eders Werkstatt, an dieses Gefühl von Geborgenheit, das zwischen all dem Leim, Holz und Chaos lag. Und genau deshalb war meine Vorfreude auf „Pumuckl und das grosse Missverständnis“ riesengroß. Ich wollte nicht einfach einen Film sehen – ich wollte nach Hause zurückkehren.
Und dann saß ich da, im dunklen Kinosaal – und ich kann mit Überzeugung sagen: So tief hat mich schon lange kein Familienfilm mehr berührt. „Pumuckl und das grosse Missverständnis“ ist nicht einfach ein nostalgisches Wiedersehen mit einer vertrauten Figur aus meiner Kindheit – es ist ein wunderbar erzählter, warmherziger und klug inszenierter Film, der etwas schafft, was heute kaum noch gelingt: Er fängt die Seele seiner Vorlage ein, ohne sich darin zu verlieren. Er schaut nach vorne, ohne die Vergangenheit zu vergessen. Er erzählt mit einem offenen Herzen – und trifft genau dort auch meins.
Schon die Eröffnungsszenen haben mich regelrecht hineingezogen: Diese Werkstatt. Dieses Geräusch, wenn Holz auf Holz trifft. Diese leicht schiefen Fenster, das gedämpfte Licht, der Geruch von Leim, Spänen und Regen, den man förmlich spüren kann. Es ist ein Kino, das nicht schreit, sondern einlädt. Und kaum taucht Florian Eder (Florian Brückner) auf, war klar: Das ist nicht nur irgendein Nachfolger, das ist eine Figur, die dieses Erbe wirklich trägt. Nicht laut, nicht aufgesetzt – sondern mit Wärme, Feingefühl und Bodenhaftung. Er wirkt, als gehöre er einfach dahin.
Und dann kommt Pumuckl. Nicht als Effektfigur, nicht als modernisierte Neuauflage, sondern genauso wie ich ihn in Erinnerung habe: zweidimensional, quirlig, frech und gleichzeitig unfassbar vertraut. Diese Entscheidung, ihn in seiner klassischen Form zu belassen, ist keine nostalgische Zierde – sie ist ein Versprechen an das Publikum, das ihn liebt. Und dieses Versprechen wird gehalten. Als ich zum ersten Mal die Stimme hörte, hatte ich tatsächlich Gänsehaut. Maximilian Schafroth spricht ihn mit Verve, und die KI-Klangtransformation hin zur unvergesslichen Stimme von Hans Clarin ist so fein, so respektvoll und so überzeugend, dass es mich wirklich gepackt hat. In diesem Moment war der Pumuckl meiner Kindheit wieder ganz da – nicht als Schatten, sondern als lebendige Figur.
Die Geschichte selbst entfaltet sich mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit. Es ist keine große, weltbewegende Handlung – und genau das macht sie so stark. Florian Eder reist aufs Land, zurück zu den Wurzeln, um das Maibaumkarussell seines alten Lehrmeisters zu reparieren. Pumuckl glaubt, der geliebte Eder wolle ohne ihn dortbleiben – und so entsteht das titelgebende Missverständnis. Aber Rosenmüller macht daraus kein lautes Drama, keine übertriebene Konfliktmaschinerie, sondern etwas viel Berührenderes: eine leise, ehrliche Geschichte über Nähe, Vertrauen und die Angst, nicht mehr gebraucht zu werden.
Ich fand es unglaublich stark, wie feinfühlig dieser Zwist erzählt wird. Man spürt die Verletzlichkeit des kleinen Kobolds – eine Figur, die man seit jeher mit Schabernack und Chaos verbindet, und die hier plötzlich mit echten Gefühlen kämpft. Man spürt Eders Ratlosigkeit, seinen Schmerz, ohne dass er je in großen Gesten spricht. Das ist emotionales Erzählen auf leisen Sohlen – und gerade deshalb trifft es so tief.
Und dann ist da diese eine Szene, die für mich den ganzen Film auf den Punkt bringt: Eder singt die Volksweise „Schau, schau, wia’s renga tuat…“ – ein Lied, das er seinem Kobold widmet. Burke, der einsame Nachbar, glaubt, das Lied gelte ihm. Und plötzlich wird aus einem kleinen Moment eine Szene voller Tragikomik, Zärtlichkeit und Wärme. Ich musste gleichzeitig lachen und schlucken. Genau in solchen Momenten zeigt sich, wie feinfühlig dieser Film ist. Er nimmt seine Figuren ernst. Er gibt ihnen Raum. Er behandelt sie nicht wie Karikaturen, sondern wie Menschen.
Das ist überhaupt die große Stärke des Films: Jede Figur – und sei sie noch so klein – bekommt Konturen. Burke (Matthias Bundschuh) ist nicht einfach der schrullige Nachbar. Er ist eine zutiefst einsame, liebevolle Figur, die man ins Herz schließt. Der Dirigent (Robert Palfrader), der über seine knarzende Schachtel stolpert, ist nicht nur ein Gag, sondern eine sympathisch überzeichnete Persönlichkeit mit Ecken und Kanten. Gisela Schneeberger verleiht Burgi diese wunderbar bodenständige Wärme, und wenn Ilse Neubauer als Frau Stürtzlinger auftaucht, war es, als würde jemand die Tür in meine Kindheit öffnen.
Auch inszenatorisch ist der Film ein Fest. Die Kamera von Georg Söring fängt das bayerische Hinterhof- und Dorfleben nicht postkartenhaft ein, sondern so, wie es riecht und klingt: mal leicht verregnet, mal sonnenwarm, mal chaotisch. Es ist ein Film, der atmet. Die Musik von Tilo M. Heinrich legt sich darüber wie eine zarte Schicht, unterstützt, statt zu dominieren. Der Schnitt nimmt sich Zeit, lässt den Figuren ihre Pausen, ihre Blicke, ihre stillen Momente. Und das ist so wohltuend in einer Zeit, in der Familienfilme oft schreien, rasen und überzeichnen müssen, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Inhaltlich steckt natürlich jede Menge Schabernack drin: ein Maibaum, der geklaut wird, Kinder, die heimlich losziehen, eine Schildkröte als tierischer Glücksbringer, ein Opernhaus, das Pumuckls Unfug erlebt. Aber all das ist nicht einfach lose aneinandergereiht – es fließt organisch zusammen, ergibt ein Ganzes. Ich habe während des Films mehrfach gelacht – nicht wegen platter Pointen, sondern weil der Humor aus den Figuren selbst entsteht.
Und dann diese Sprache! Der Film ist auf Bayerisch gedreht – und ich liebe es. Er macht sich nicht klein, indem er sich anbiedert, sondern vertraut darauf, dass sein Ton verstanden wird. Das verleiht ihm Authentizität, Tiefe und einen ganz eigenen Klang. Ich habe es als großes Glück empfunden, dass dieser Film nicht geglättet wurde, sondern seine Wurzeln stolz trägt.
Als ich den Kinosaal verlassen habe, war da dieses Gefühl, das man nicht erzwingen kann. Ein warmes, helles Ziehen im Bauch. Eine Mischung aus Rührung, Freude und Dankbarkeit. „Pumuckl und das grosse Missverständnis“ hat mich auf eine Weise begeistert, wie es moderne Kinderfilme nur noch selten schaffen. Er ist kein Spektakel, keine grelle Attraktion. Er ist ein echter Film. Einer, der atmet, lacht, zuhört und liebt.
Für mich ist dieser Film ein Herzensgeschenk. Eine perfekte Verbindung aus Nostalgie und Neuanfang. Er verbeugt sich tief vor dem Pumuckl, den ich als Kind so sehr geliebt habe – und schafft es gleichzeitig, ihm ein neues Zuhause im Heute zu geben. Ich war begeistert, berührt, verzaubert. Es ist ein Film, den ich mir sofort noch einmal ansehen möchte, einfach um dieses Gefühl zu behalten. Hurra, hurra – der Pumuckl ist nicht nur wieder da. Er war die ganze Zeit da, und jetzt leuchtet er heller denn je.