Medusas Königreich - 1. Lockruf des Todes

  • Medusas Königreich - 1. Lockruf des Todes

    Ein Team von Tauchern stößt im Mittelmeer auf die Ruinen einer untergegangenen Stadt – Atlantis. Die Welt jubelt über diese epochale Entdeckung. Doch das, was in den Tiefen verborgen lag, hätte besser niemals ans Licht kommen dürfen: Weltweit erheben sich Schlangen aus dem Meer und attackieren Menschen. Sie sind der Vorbote einer dunklen Macht, die uralt und längst vergessen ist. Mitten in diesem Chaos steht die junge Meeresbiologin Yara. Als sie von einer der Kreaturen gebissen wird, beginnt in ihr eine Veränderung, die sich nicht mehr aufhalten lässt. Ihre Augen spiegeln plötzlich etwas, das nicht mehr von dieser Welt ist – etwas Uraltes, Mächtiges. Was ist mit ihr geschehen? Und was hat es mit dem wiedererwachenden Königreich der Medusa auf sich?

    Mit Medusas Königreich wagt Holysoft den Schritt in die düsteren Gefilde des Mythen-Thrillers – eine Mischung aus Antike, Horror, Science Fiction und Mystery, die das Genre des modernen Hörspiels um eine eigenständige, ambitionierte Stimme erweitert. Bereits in der ersten Folge gelingt es dem Team, klassische Motive der griechischen Mythologie mit modernen Katastrophenszenarien und einer Prise Endzeitgefühl zu verbinden. Dabei entsteht eine hörspielgewordene Hydra – mal apokalyptisch und wuchtig, dann wieder still, nachdenklich und erschreckend nah an der menschlichen Angst vor Veränderung.

    Der Auftakt dieser neuen Serie beeindruckt durch einen dichten, erzählerisch sehr cineastisch inszenierten Spannungsaufbau. Aikaterini Maria Schlössers Skript ist bewusst episodisch gehalten, wechselt zwischen verschiedenen Schauplätzen und Figuren, ohne sich zu verzetteln. Der dramaturgische Bogen ist klar: Der Mythos Medusa wird nicht bloß als Antike-Reliquie aufgewärmt, sondern mit einer neuen Interpretation versehen – bedrohlich, weiblich, unkontrollierbar. Die Folge beginnt mit einem kühlen Tauchgang, mutiert aber bald zu einem globalen Albtraum, in dem sich Panik, Naturkatastrophe und übernatürliche Kräfte vermischen. Besonders beeindruckend ist, wie das Thema Verwandlung – körperlich wie psychologisch – in die Handlung eingebettet wird: Yaras innere Entwicklung spiegelt die äußere Eskalation der Weltlage auf erschütternde Weise wider. Die Wechsel zwischen hektischen Nachrichtenschnitten, wissenschaftlicher Ratlosigkeit, mythologischen Figuren und intimen Momenten erzeugen eine dichte Atmosphäre, die auch nach dem Abspann nachhallt.

    Die Leistung des Sprecherensembles ist durchweg stark. Saskia Haisch trägt als Yara die Folge – mit klarer, vielschichtiger Stimme, die zwischen Fragilität und aufkeimender Fremdheit changiert. Christian Michalak als Mark ergänzt sie als rationaler Anker, dessen Stimme in späteren Szenen eine zunehmend fassungslose Note bekommt. Samina König als Peisinoe wirkt wie ein Schatten aus der Tiefe – weich, sirenenhaft, aber bedrohlich. Dana Friedrich (Stheno) und Annette Strasser (Euryale) formen gemeinsam mit ihr eine Art dunkles Dreigestirn – bedrohlich, hypnotisch, eindringlich. Besonders erwähnenswert ist auch Vanida Karun als Leah, die mit kontrollierter Präsenz eine emotionale Kontraposition zu Yaras Transformation bietet. In kleineren, aber wichtigen Rollen glänzen Bettina Weiß als kühle Nachrichtensprecherin und Marco Rosenberg als Tony, dessen Rolle andeutet, dass auch in späteren Folgen politische und militärische Motive mitspielen werden. Die Stimmen aller Figuren sind klar unterscheidbar, atmosphärisch besetzt und von einem Ensemble getragen, das hörbar mit dem Stoff verbunden ist.

    Jörg Schulers Sounddesign verwebt Musik, Geräusche und Raumklang zu einem durchgehend atmosphärischen Klangbild. Besonders beeindruckend sind die maritimen Klangwelten: Blasen, Tauchermasken, dumpfe Wassergeräusche, die gespenstische Stille unter der Meeresoberfläche – all das wirkt so realistisch wie cineastisch. Die Schlangenangriffe sind akustisch fein gestaltet, nie effekthascherisch, sondern mit subtilen, kriechenden Geräuschkulissen inszeniert. Auch die mythischen Stimmen der Gorgonen klingen, als kämen sie aus einer Zwischenwelt – hallend, verzerrt, sirenengleich. Der Score, komponiert aus archaischen Instrumenten, düsteren Streicherflächen und gelegentlichen elektronischen Störmomenten, verstärkt das Gefühl einer überirdischen Bedrohung. Besonders wirkungsvoll: Die Musik wechselt abrupt zwischen sanfter Schönheit und brutaler Dissonanz – passend zu Yaras Transformation und der wachsenden Ungewissheit. Der Dialogschnitt ist sauber, Übergänge sind präzise, die Mischung bleibt auch in lauten Szenen gut verständlich.

    Das Cover ist ein visuelles Versprechen, das die Serie auf ganzer Linie einlöst. Die Statue einer Frau – Medusa – ragt halb aus dem Wasser, streng, anmutig und unheilvoll zugleich. Ihre steinernen Schlangenhaare wirken fast lebendig, das bläuliche Licht gibt dem Bild eine kühle, fast tödliche Eleganz. Im Hintergrund: eine antike Ruinenstadt, halb versunken, halb erwacht. Die Komposition greift nicht nur den mythologischen Ursprung der Geschichte auf, sondern verweist subtil auf das, was kommen wird: Die Rückkehr eines Reiches, das längst tot geglaubt war. Farbgebung, Typografie und Bildaussage ergeben ein stimmiges Gesamtbild – geheimnisvoll, bedrohlich, edel.

    Lockruf des Todes ist ein starker Serienauftakt, der nicht nur mythologisch Interessierte oder Fantasy-Fans anspricht, sondern auch Liebhaber intelligenter Thriller und düsterer Science-Fiction. Mit Yara steht eine Hauptfigur im Zentrum, deren Entwicklung ebenso erschreckt wie fasziniert. Die Geschichte ist komplex, ohne unübersichtlich zu werden, und die akustische Umsetzung auf hohem Niveau. Holysoft beweist hier erneut, dass das Label den Mut hat, neue Wege zu gehen – stilistisch, thematisch, dramaturgisch. Medusas Königreich könnte sich mit der richtigen Erzählkonsequenz zu einem neuen Flaggschiff des modernen Hörspiels entwickeln. Folge 1 macht jedenfalls Lust auf mehr – und lässt einen mit dem leisen Gefühl zurück, dass etwas Altes, Unkontrollierbares aus der Tiefe gestiegen ist.

  • Toll beschrieben, für mich ebenfalls ein starker Auftakt in eine schöne Mini-Serie. Gerade das "neue" unverbrauchte Thema / Genre Mix hat Spaß gemacht. Davon gerne mehr. Auch leider für mich eine der Produktion die mehr Aufmerksamkeit verdient haben.

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