Glocken des Todes - 6 teiliges Kriminallhörspiel

  • Glocken des Todes - 6 teiliges Kriminalhörspiel

    Ein Sturm fegt über das Moor von Glinsborough. In der alten Nikodemus-Kapelle läuten wie von Geisterhand die Glocken – der Mesner West will die Kirche gerade abschließen, als das Glockenspiel ein grausiges Geheimnis offenbart: Im Glockenstuhl liegt eine verstümmelte Leiche. Es ist Albert Darton, Sekretär eines reichen Aktionärs – erschlagen von einer der riesigen Glocken. Ein rätselhafter, fragmentarischer Brief wird am Tatort gefunden, der von einem „Ausflug in den Zitronengarten“ erzählt und den Toten auffordert, zur Nordwand der Glocke zu treten. Als Inspektor McFaverham beginnt, in dem düsteren Mordfall zu ermitteln, häufen sich die Widersprüche: Die Leiche verschwindet spurlos. Und kurz darauf taucht Albert Darton quicklebendig auf einem Maskenball wieder auf – im blutroten Scharfrichterkostüm...

    Mit „Glocken des Todes“ legt Pidax einen echten Krimiklassiker aus den Tiefen der WDR-Archive neu auf – ein atmosphärisches Juwel aus dem Jahr 1964. Unter der Regie von Rolf von Goth und auf Basis eines Romans von Ernst Hall entstand ein sechsteiliger Krimi, der ganz im Geiste britischer Mysterytradition steht. Das Setting – ein verregnetes Moor, ein abgelegenes Kirchlein, ein verschwundener Toter – erinnert nicht zufällig an die großen Radiokrimis der Straßenfeger-Ära. Wer Francis Durbridge und Edgar Wallace liebt, wird sich hier auf vertrautem Terrain wiederfinden. Doch „Glocken des Todes“ entwickelt bald eine ganz eigene Handschrift – düster, geheimnisvoll und voller labyrinthischer Wendungen.

    Rolf von Goth setzt ganz auf klassische Erzählstruktur: Ein Kriminalfall, der sich stückweise entfaltet, ein Ermittler, der sich durch Nebel, Lügen und Andeutungen kämpft, eine Vielzahl skurriler Figuren mit möglichen Motiven – das alles wird mit zurückhaltender, aber wirkungsvoller Dramaturgie serviert. Die sechs Teile sind dramaturgisch hervorragend gebaut: Jeder endet mit einem Cliffhanger, jeder neue Abschnitt öffnet eine weitere Tür ins Labyrinth aus Täuschung, Doppelbödigkeit und immer neuen Enthüllungen. Besonders gelungen ist die Atmosphäre: das Gefühl von Isolation, Unwetter und der gespenstischen Bedrohung wird nie überdeutlich ausgestellt, sondern schleicht sich langsam und beharrlich in die Szenen. Die Figuren sind nicht überzeichnet, sondern unaufdringlich geheimnisvoll – was die Spannung umso dichter wirken lässt. Die Kirche mit ihrem Glockenstuhl wird zum unheimlichen Zentrum des Geschehens, das sich stetig ausweitet und auf einen beklemmenden Höhepunkt hinsteuert.

    Die Sprecherriege ist ein echtes Highlight: Hermann Lenschau als Inspektor McFaverham gibt dem Ermittler mit lakonischer Ruhe und leicht britischem Understatement ein Gesicht, während Helmut Peine als Butler Haycox und Fritz Rasp als Mesner West das Ensemble mit viel Charakter anreichern. Kurt Lieck – legendär als Sir Graham Forbes in den Paul-Temple-Hörspielen – brilliert hier als mysteriöser Dr. Wyler, und Alf Marholm als scheinbar toter Sekretär Darton liefert eine packende Ambivalenz. Marianne Mosa, Alwin Joachim Meyer, Arthur Mentz und viele andere bereichern das akustische Krimigemälde mit stimmlichen Nuancen und glaubwürdigen Darstellungen. Jeder spricht mit einer Ernsthaftigkeit, die die Produktion trotz ihres Alters frisch wirken lässt – und doch schwingt in vielen Dialogen ein leiser, unheilvoller Subton mit.

    Für eine Produktion von 1964 ist die technische Umsetzung beachtlich: Klar verständliche Sprache, gut gesetzte Pausen und akustische Orientierung. Die Musik von Heinz Jahr ist stilprägend: jazzig, mystisch, mit rhythmischen Einlagen, die die Spannung subtil verstärken, ohne je in den Vordergrund zu rücken. Die Geräusche sind eher spartanisch, aber punktgenau eingesetzt – das Läuten der Glocken, der Sturm, das Knarren alter Türen – alles wirkt atmosphärisch dicht und verstärkt die klaustrophobische Wirkung der Handlung. Die Produktion läuft auf einer MP3-CD, was bei über vier Stunden Spielzeit eine praktische Lösung darstellt, auch wenn dadurch die haptische Präsentation etwas reduziert ist.

    Das Cover spielt mit typischer Noir-Ästhetik: eine dunkle Gestalt, ein mystischer Glockenturm, ein blasser Lichtschein – das alles in leichtem Retro-Look mit gedeckten Farben. Es passt perfekt zur düsteren Grundstimmung des Hörspiels und gibt einen visuellen Eindruck davon, was den Hörer erwartet: klassischer Krimi, geheimnisvoll, unheimlich und ein wenig morbide.

    „Glocken des Todes“ ist ein echtes Kleinod für Freunde klassischer Krimihörspiele: ein sorgfältig inszenierter, atmosphärisch dichter Mehrteiler mit vielen erzählerischen Windungen, exzellenten Sprechern und einer Prise Gothic-Charme. Ein Fall, der wie ein Uhrwerk tickt und dessen Einzelteile sich erst ganz am Ende zu einem stimmigen Ganzen fügen. Wer den WDR-Krimiklang der 60er liebt und eine Vorliebe für düstere Landkirchen, Maskenbälle und geheimnisvolle Briefe hat, sollte hier unbedingt zugreifen. Ein würdiger Vertreter der „Pidax Hörspiel-Klassiker“-Reihe – und ein akustisches Geschenk für Krimi-Nostalgiker.

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