• Emerald

    An einem Heiligabend geschieht das Unbegreifliche: Die Geschwister Kate, Michael und Emma werden von ihren Eltern getrennt. Jahre vergehen. Von einem Waisenhaus ins nächste geschoben, wächst besonders Kate an ihrer Verantwortung – denn sie hat ihrer Mutter versprochen, auf ihre jüngeren Geschwister achtzugeben, bis die Familie wieder vereint ist. Zehn Jahre später landen die drei Kinder in einem seltsamen, abgelegenen Herrenhaus in Cambridge Falls – einem Ort, an dem nur sie als Waisen untergebracht sind. Das verwinkelte Anwesen birgt Geheimnisse, ebenso sein Besitzer, der rätselhafte Dr. Pym. In den dunklen Hallen entdecken sie ein geheimnisvolles Buch: „Emerald“. Es ist kein gewöhnliches Buch, sondern ein Zeitportal – und es wird zum Schlüssel ihrer Herkunft, ihrer Bestimmung und ihrer gemeinsamen Vergangenheit. Eine Reise beginnt, die sie weit zurückführt: in eine düstere Welt voller Magie, Zwerge, Riesen, Hexen und geheimer Bündnisse. Und eine mächtige Widersacherin – die Gräfin – will genau das verhindern: dass die Kinder ihr Schicksal erfüllen. In einer Welt voller Gefahren, Mutproben und dunkler Mächte entdecken Kate, Michael und Emma ihre Kräfte, ihre Geschichte – und eine Ahnung von der Zukunft.

    Mit Emerald beginnt eine epische Trilogie: Die Chroniken vom Anbeginn. John Stephens, einst Produzent von „Gilmore Girls“ und „The O.C.“, legt mit dieser Geschichte ein erstaunlich klassisches, märchenhaft-fantastisches Debüt vor. Das Hörspiel dazu wurde 2012 als aufwendige Weihnachtsproduktion von SWR und WDR umgesetzt – und es ist nicht nur ein Fest für Fantasyfans, sondern auch ein seltener Glücksfall in der Landschaft der deutschsprachigen Kinderhörspiele: Intelligent erzählt, sprachlich feinfühlig, dramaturgisch stark inszeniert. Wer Bücher wie Der goldene Kompass oder Die unendliche Geschichte liebt, wird sich in Emerald schnell heimisch fühlen. Dabei gelingt es der Geschichte, kindliche Abenteuerlust mit einem tiefen Gefühl von Verlust, Zusammenhalt und Identität zu verknüpfen – mit einer wohldosierten Melancholie, die den Ton edler Fantasyliteratur trifft, ohne schwermütig zu werden.

    Regisseur Robert Schoen gelingt eine bemerkenswerte Balance zwischen erzählter Zeit und gespielten Szenen. Die Erzählstimme von Birgitta Assheuer verleiht dem Hörspiel jenen märchenhaften, leicht entrückten Ton, der die Geschichte in die Sphäre der großen Erzählungen hebt. Dabei springt die Handlung mutig durch Zeiten und Schauplätze: von der Gegenwart in Cambridge Falls in eine mittelalterlich anmutende Welt voller Magie – stets mit klaren Übergängen, dramaturgisch stimmig, spannend, aber nie überladen. Die Dialoge sind lebendig, die Figuren überzeugend gezeichnet – nicht archetypisch, sondern mit kleinen Brüchen, Eigensinn und Herz. Besonders gelungen: die langsame Enthüllung der Vergangenheit der Kinder, die Verbindung zwischen Mythos und Realität und das Zusammenspiel aus innerem Konflikt (Identität, Verlust der Eltern) und äußerem Abenteuer (der Kampf gegen die Gräfin). Auch die Figuren Dr. Pym und Abraham sind wohltuend vielschichtig gezeichnet – mysteriös, aber nicht plakativ.

    Mit Nastassja Hahn (Kate), Anton Kurth (Michael) und Lucie Erdmann (Emma) wurden drei Nachwuchssprecher gefunden, die ihre Rollen mit großer Natürlichkeit und glaubhaftem Spiel füllen. Sie tragen die Geschichte mit Charme, Ernsthaftigkeit und Energie – ohne je überdreht oder bemüht zu wirken. Birgitta Assheuer als Erzählerin fügt sich mit warmem, ruhigem Timbre ein, gibt dem Hörspiel seinen erzählerischen Rahmen und führt sicher durch die komplexe Handlung. In den Nebenrollen glänzen viele bekannte Stimmen: Carl Heinz Choyinski als bedächtiger Abraham, Ernst Konarek als kauziger, weiser Dr. Pym und Tommi Piper als Gabriel. Und mit Andreas Fröhlich als Robbie ist ein echter Hörspielprofi mit dabei, der jeder Szene sofort zusätzliche Tiefe verleiht. Der gesamte Cast wirkt harmonisch, präzise geführt und sehr gut aufeinander abgestimmt.

    Die musikalische Gestaltung durch b.deutung ist fantasievoll, verspielt, aber auch emotional – nie aufdringlich, sondern atmosphärisch fein verwoben mit der Handlung. Besonders die melancholischen Zwischentöne, die magischen Motive und spannungssteigernden Akzente sind klanglich hervorragend abgestimmt. Die Geräuschkulisse ist dicht, aber nicht überladen. Sie entführt in eine fremde Welt voller knarrender Türen, dampfender Bücher, schmatzender Pflanzen, klirrender Schwerter und geheimnisvoller Magie – alles in klanglicher Klarheit und dramaturgischer Feinheit produziert.

    Das Coverdesign ist stilisiert und wirkungsvoll: Eine schattenhafte Weltkugel mit windrosenartigem Kompass, geheimnisvolle Figuren und ein leuchtender roter Fuchs als Kontrast zum smaragdgrünen Hintergrund – das alles verweist auf die Mischung aus Abenteuer, Orientierungssuche und märchenhaftem Zauber. Das Booklet enthält zusätzliche Informationen zur Trilogie, zu Produktion und Sprechern.

    Emerald ist ein wunderbar erzähltes Fantasyhörspiel – atmosphärisch dicht, dramaturgisch klug, emotional bewegend. Die Geschichte von Kate, Michael und Emma ist mehr als bloße Abenteuergeschichte: Sie handelt von Verlust, Zusammenhalt, Mut und Hoffnung. Eine große Stärke liegt in der Mischung aus klassischem Märchenton und moderner Fantasy, die jüngere Hörer ebenso wie Erwachsene anspricht. Wer sich darauf einlässt, erlebt ein Hörspiel, das nicht nur unterhält, sondern berührt. Dass es sich um den Auftakt einer Trilogie handelt, macht umso neugieriger auf das, was folgt.

    Ein Hörtipp für lange Nachmittage, gemeinsame Familienstunden – oder ein ganz besonderes Hörerlebnis an einem Heiligabend, wenn sich Kreis und Geschichte schließen.

    Leider hat der SWR nur den ersten Band der Chroniken vom Anbeginn umgesetzt. Wer erfahren möchte, wie es mit den drei Geschwistern weitergeht, muss zur Buchvorlage greifen – denn die Trilogie geht weiter mit „Rubyn“ (Band 2) und „Onyx“ (Band 3).

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