ARD Radio Tatort - Seelenfeuer

  • ARD Radio Tatort - Seelenfeuer

    Ein alter Bekannter, eine neue Schuld. Yanina Adler, einst Sozialarbeiterin, heute clevere Privatermittlerin, wird von ihrer Vergangenheit eingeholt. Ranko Gojun, ein früherer Jugendlicher aus ihrem Betreuungsprogramm, steht unter Verdacht, seinen Bruder brutal zusammengeschlagen zu haben. Doch Ranko, inzwischen scheinbar auf dem rechten Weg, beteuert seine Unschuld – und Yanina glaubt ihm. Als sie beginnt, in seinem Umfeld zu ermitteln, stößt sie auf ein Geflecht aus familiären Spannungen, gesellschaftlicher Kälte und inneren Dämonen. Der Fall führt sie tief in die Schatten Münchens, wo Loyalität und Verrat nahe beieinanderliegen – und nicht immer klar ist, ob sie wirklich auf der Seite des Guten steht.

    „Seelenfeuer“ ist kein klassischer Whodunit. Es ist ein Hörspiel über Vertrauen, Veränderung und die kleinen Höllen des Alltags. Su Turhan gelingt ein urbanes Kriminaldrama, das leise beginnt und sich unaufhaltsam verdichtet. Die Geschichte verzichtet auf das große Spektakel und lebt stattdessen von der inneren Zerrissenheit ihrer Figuren, dem ständigen Wechselspiel zwischen Nähe und Misstrauen. Es geht um Rückfälle – in alte Muster, in alte Verletzungen – und um die Frage, ob man sich wirklich ändern kann. Dabei bleibt alles nahbar, schmerzhaft, echt.

    Regisseur Ulrich Lampen entwickelt mit präziser Hand eine Inszenierung, die von zurückhaltender Dramatik geprägt ist. Der Spannungsbogen baut sich eher psychologisch auf als durch Action – was perfekt zur erzählten Geschichte passt. Die Stadt München erscheint hier nicht als schicke Kulisse, sondern als Tatort urbaner Ausgrenzung. Die Übergänge zwischen Innen- und Außenszenen, zwischen vertraulichen Gesprächen und plötzlichen Erkenntnissen sind fließend inszeniert, fast filmisch. Die zentrale Figur Yanina Adler bleibt in Bewegung – nicht nur physisch, sondern auch innerlich. Ihre Ermittlungen sind persönlich motiviert, was das Hörspiel weit über den klassischen Krimi hinaushebt.

    Julia Gräfner verkörpert Yanina Adler mit starker Präsenz. Ihre Stimme ist kantig, direkt, aber auch verletzlich – ideal für eine Figur, die zwischen Professionalität und Emotion schwankt. Ihr Spiel ist nicht glatt, sondern echt. Martin Weigel bringt als Ünal Tekin eine geerdete Ruhe ein – seine Dialoge mit Adler sind fein austariert zwischen Sympathie und Widerstand. Omid Memar als Ranko Gojun überzeugt durch Zerrissenheit: mal entschlossen, mal voller Zweifel, stets glaubwürdig. Auch Carolin Conrad, Stefan Hunstein, Wolfgang Maria Bauer und die restlichen Sprechenden agieren präzise, fast beiläufig – wodurch die Figuren umso realistischer wirken.

    Das Sounddesign ist unaufdringlich, aber sehr wirkungsvoll. Besonders die Szenen im Wohnhaus der Gojuns sind akustisch dicht – Stimmen hallen, Geräusche stehen im Raum, die Atmosphäre wirkt schwer. Die Musik von Leo Hopfinger, Thomas Simonetti und Frank Nägele schwebt oft nur wie ein Hauch über den Szenen, verstärkt aber die emotionale Spannung. Die technischen Details – wie das Knistern eines Feuerzeugs oder das Klirren einer Tasse – sind so präzise eingearbeitet, dass sie als atmosphärische Elemente wirken, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.

    Jürgen Freys Illustration ist ein wuchtiges Sinnbild: Eine Flamme lodert unter einem Löffel mit weißem Pulver – angedeutete Heroinzubereitung. Darunter: eine Spielwürfeltasse, die wie eine Ironie des Schicksals wirkt. Schwarz und rot dominieren das Bild, das gleichzeitig konkret und symbolisch bleibt. „Seelenfeuer“ steht dabei nicht nur für das Lodern der Drogen, sondern für das innere Brennen der Figuren. Das Bild bleibt im Kopf – unbequem, aber kraftvoll.

    „Seelenfeuer“ ist ein nachdenklicher, starker Radio Tatort, der mit emotionaler Tiefe, einer hervorragend gezeichneten Protagonistin und einer klugen Story überzeugt. Keine konstruierte Krimispannung, sondern ein Hörspiel über Vertrauen, Veränderung und die schwer fassbare Grenze zwischen Schuld und Unschuld. Technisch exzellent, darstellerisch herausragend – ein Highlight unter den aktuellen ARD Radio Tatorten.

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