ARD Radio Tatort - Ein Toter im Goldfischteich
Ein lebloser Körper im Goldfischteich, zwei Papageien kreischen schrill, und die tropenähnliche Idylle eines Frankfurter Gartens bekommt plötzlich Risse. Kommissar Haas und sein junger Kollege Teschenmacher werden zu einem ungewöhnlichen Tatort gerufen – einem dschungelartig bewachsenen Privatgarten mitten in der Großstadt. Was zunächst nach einem tragischen Unfall eines Obdachlosen aussieht, entpuppt sich bald als verschlungener Fall, der weit über lokale Konflikte hinausreicht. Die Spur führt die beiden Ermittler in die Vergangenheit eines ehemaligen Sicherheitsunternehmers und öffnet ein dunkles Kapitel, das bis nach Mali reicht.
„Ein Toter im Goldfischteich“ ist ein Radio Tatort, der sich nicht in gängigen Krimimustern verliert, sondern auf atmosphärisches Erzählen, schräge Milieus und leisere Töne setzt. Martin Mosebachs Handschrift ist deutlich zu spüren: kunstvoll verdichtete Sprache, skurrile Charaktere und ein Hauch von Tragikomik, der die Abgründe nicht überdeckt, sondern kunstvoll unterstreicht. Der Fall lebt nicht von der Hatz auf den Täter, sondern vom Sog der Details, der sich langsam, aber unnachgiebig entfaltet.
Regisseur Leonhard Koppelmann inszeniert mit einem feinen Gespür für Zwischentöne. Der Garten – als Ort, als Klangkulisse, als Symbol – wird zum eigentlichen Zentrum der Erzählung. Die Handlung verzichtet auf Effekthascherei, sondern baut Spannung über Sprachrhythmus, Widersprüche in Aussagen und unterschwellige Unruhe auf. Besonders die Dialoge zwischen Haas und Teschenmacher sind ein Highlight: pointiert, teils lakonisch, aber nie platt. Die Fährte nach Mali wirkt zunächst wie ein thematischer Sprung, doch gerade sie verleiht dem Fall Tiefe und Aktualität.
Felix von Manteuffel brilliert als Kommissar Haas mit seiner rauchigen, nuancierten Stimme. Er verleiht dem Ermittler jene Mischung aus Abgeklärtheit und leiser Skepsis, die der Figur ihre stille Autorität gibt. Ole Lagerpusch als Teschenmacher sorgt für frischen Wind und wirkt angenehm gegenläufig – neugierig, manchmal naiv, aber mit wachem Geist. Susanne Schäfer (Frau Felsenstein) und Anke Sevenich (Frau Rettich) ergänzen das Team mit präziser, alltagsnaher Spielweise – zwei Bürokräfte, die alles andere als nebensächlich sind. Wolf Aniol (Dr. Wendelstein) und Christian Redl (Werner Eberle) steuern mit ihren tiefen Stimmen und zurückgenommenem Spiel jene mysteriöse Dichte bei, die das Hörspiel prägt. Auch Sonja Beißwenger, Arash Nayebbandi und Merle Wasmuth fügen sich stimmig in das Ensemble ein.
Der Sound lebt vom Kontrast zwischen Natur und Stadt: Vogelstimmen, Blätterrascheln, das Plätschern des Teichs, sirrende Insekten – all das steht im Gegensatz zu Polizeifunk, Stadtgeräuschen und nüchternen Gesprächsräumen. Diese Klangwelten prallen aufeinander, nicht laut, aber spürbar. Die Musik bleibt dezent, oft kaum wahrnehmbar, arbeitet mehr mit rhythmischer Struktur als mit Melodie. Gerade das verstärkt die eigentümliche Spannung, die nie ganz aufgelöst wird. Es ist die permanente Ahnung, dass hinter der tropischen Kulisse etwas faul ist – eine akustische Subversion der vermeintlichen Idylle.
Das Bild von Jürgen Frey ist ein Geniestreich: Zwei Papageien in aggressiver Pose, ein blutroter Teich, die Skyline Frankfurts im flirrenden Sonnenlicht – ein Mordfall als surreale Momentaufnahme. Die Illustration spielt mit Kontrasten: Urbanität trifft auf Exotik, Idylle auf Gewalt, Leben auf Tod. Der farbdramatische Stil erinnert an Graphic Novels, ohne plakativ zu wirken. Es ist ein Bild, das sofort Neugier weckt – und dessen Details sich erst mit der Geschichte erschließen.
„Ein Toter im Goldfischteich“ ist ein leiser, aber eindringlicher Radio Tatort, der weniger durch dramatische Wendungen als durch atmosphärische Dichte, starke Charaktere und sprachlich ausgefeilte Erzählweise überzeugt. Er fordert Aufmerksamkeit, belohnt aber mit einer doppelbödigen Geschichte, die weit über das Krimi-Genre hinausweist. Ein besonderer Fall – nicht spektakulär, aber klug, kunstvoll und eigenwillig.