John Sinclair - 182. Strigen-Terror
Der Kampf gegen Strigus spitzt sich dramatisch zu. John Sinclair und Suko sitzen weiterhin in der abgelegenen Klinik fest – gefangen in einer düsteren Atmosphäre, die zunehmend bedrohlicher wird. Währenddessen breitet sich das Grauen im nahegelegenen Heroldsbach aus: Die Bewohner verhalten sich auffällig schweigsam und unnahbar, während sich die Anzeichen einer größeren, unheilvollen Entwicklung mehren. Parallel dazu kommt es an anderen Orten zu merkwürdigen Vorkommnissen. Die Lage droht zu eskalieren, als ein Mensch sich in ein Strigenwesen verwandelt – und plötzlich niemand mehr sicher ist, wer noch Mensch und wer bereits Kreatur ist...
„Strigen-Terror“ ist der zweite Teil der Strigus-Doppelfolge – und ein seltenes Beispiel dafür, wie ein Mittelteil nicht nur den Spannungsbogen fortsetzt, sondern ihn deutlich anzieht. Der Plot wirkt dichter, zielgerichteter und atmosphärisch noch finsterer als der Vorgänger. Statt bloß auf die Auflösung der im ersten Teil gelegten Fragen zu setzen, baut das Skript geschickt neue Elemente ein: Bedrohliche Stille im Dorf, surreale Rituale, beklemmende Klinikgänge – die Folge greift tief in die Trickkiste des Folk- und Psycho-Horrors, ohne den klassischen Sinclair-Kern aus den Augen zu verlieren.
Die parallelen Handlungsstränge sind klug miteinander verwoben. Der Aufenthalt in der Klinik erzeugt klaustrophobische Spannung, während das Dorfgeschehen durch seine unheimliche Langsamkeit und die latent feindliche Stimmung überzeugt. Besonders die Verwandlung eines Menschen in ein Eulenwesen gelingt als packender Moment zwischen Schock und Metapher – Identitätsverlust, Fremdbestimmung und Ungewissheit vereinen sich zu einer erschütternden Szene. Statt bombastischer Action setzt die Folge auf eine unterschwellige, wachsende Bedrohung. Die Dialoge sind dicht, die Dramaturgie konsequent. Sogar Nebenfiguren erhalten Tiefe und Profil. Der Horror entsteht nicht durch schnelle Schocks, sondern durch ein kontinuierliches Unbehagen, das sich über die gesamte Laufzeit legt. Das Finale ist ruhig, aber wirkungsvoll – ein düsterer Schlussakkord, der nicht entlädt, sondern nachklingt.
Reinhard Kuhnert als Strigus ist ein Ereignis für sich. Seine Stimme gleitet elegant zwischen wohltönender Fassade und dämonischem Unterton – ein Antagonist, der verführt, bevor er zerstört. Nana Spier verleiht Helen eine nuancierte Emotionalität. Ihre Verletzlichkeit ist spürbar, ohne weinerlich zu wirken, und sie trägt die inneren Konflikte ihrer Figur hörbar nach außen.
Samuel Finzi liefert als Klinikleiter eine hervorragende Darstellung zwischen scheinbarer Normalität und schleichender Bedrohung. Auch Artur Weimann, Thomas Arnold und Peter Sura runden das Sprecherensemble überzeugend ab. Die Dialogführung wirkt dabei stets flüssig, rhythmisch und lebendig.
Akustisch zählt diese Folge zu den bestproduzierten der jüngeren Zeit. Die Klinik – mit hallenden Fluren, leisen Schritten, entfernten Rufen – wirkt bedrückend echt. Auch das Dorfleben erhält eine ganz eigene Klangfarbe: gedämpfte Stimmen, Wind in den Bäumen, knarrende Türen.
Die musikalische Gestaltung unterstreicht das Geschehen ohne es zu überlagern. Besonders in den Momenten, in denen sich die Bedrohung nur andeutet, sorgt die Musik für Gänsehaut. Geräusche wie das Flügelschlagen der Strigen, die Verwandlungseffekte oder das unnatürlich ruhige Atmen in dunklen Räumen sind eindrucksvoll eingesetzt – subtil, aber wirkungsvoll.
Das Artwork zeigt Strigus in einer dominanten Pose – aufragend, bedrohlich, in nebelverhangener Umgebung. Violette und schwarze Farbtöne dominieren und spiegeln die düstere Atmosphäre der Folge eindrucksvoll wider. Die Gestaltung ist detailreich, ohne überladen zu wirken. Schön: Im Inneren der CD-Hülle sind wieder alle Sprecher ihren Rollen zugeordnet, was für mehr Übersicht sorgt und Sammler freuen dürfte.
„Strigen-Terror“ ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie man einen zweiten Teil nicht nur als Ergänzung, sondern als Höhepunkt inszenieren kann. Die Folge überzeugt durch ihre dichte Atmosphäre, die kluge Figurenzeichnung und die hohe akustische Qualität. Besonders der subtile, beinahe folkloristische Horror und das psychologische Element heben sie aus der Masse der Serienfolgen hervor. Ein modernes Gruselhörspiel, das weit über den Genrestandard hinausgeht – und Lust auf mehr macht.
VÖ: 30. Mai 2025
Label: Lübbe Audio
Bestellnummer: 9783785787205