Gestatten, Piefke - 11. Panik im Panoptikum
Ein düsteres Wachsfigurenkabinett in der Friedrichstraße sorgt für Unruhe. Das „Panoptikum des Schreckens“, spezialisiert auf makabre Darstellungen von Mördern, Folterknechten und Kuriositäten, ist ein Ort, an dem sich das Grauen plastisch in Szene setzt. Als plötzlich gleich drei Mitarbeiter der Schau spurlos verschwinden, wird Walter Piefke beauftragt, dem Geschehen nachzugehen. Ist es Zufall, dass ausgerechnet Menschen verschwinden, die tagtäglich zwischen den schaurigen Figuren arbeiten? Oder verbirgt sich im Schatten des Panoptikums eine größere Wahrheit?
Mit der elften Folge der Reihe wird das Unheimliche greifbarer denn je. Panik im Panoptikum mischt klassische Krimikonstruktion mit einer fast schon gespenstischen Atmosphäre. Der Schauplatz – ein Wachsfigurenkabinett voller Schrecken – könnte kaum symbolträchtiger sein. Die Folge erinnert in ihrer Struktur an viktorianische Schauerliteratur und bringt damit eine neue, sehr reizvolle Tonlage in die Serie. Die Spannung ergibt sich dabei weniger aus Action, sondern aus Ungewissheit, aus flackerndem Licht, aus der Frage: Was ist Wachs, was ist echt?
Das Skript nutzt das Panoptikum als perfekten Resonanzraum für düstere Thematiken: Angst, Verdrängung, Wahnsinn. Die Folge entwickelt sich langsam, aber konsequent – ein Kriminalstück mit psychologischem Tiefgang. Die dramaturgische Kurve ist nicht steil, dafür klug geschwungen. Szenenwechsel zwischen Tatort, düsteren Gängen und Gesprächen mit illustren Verdächtigen erzeugen dichte Atmosphäre. Die Ermittlungsarbeit ist dabei eher detektivisch klassisch als actionreich. Besonders stark: die finalen Minuten, in denen sich eine beklemmende Wahrheit offenbart.
Oliver Stritzel ist wieder als Walter Piefke zu hören – ruhig, eindringlich, mit einer feinen Spur Berliner Lakonie. Arianne Borbach als Anna Wagner ergänzt ihn wie gewohnt klug und beherzt. Till Hagen erzählt mit der bekannten Mischung aus Präzision und ironischer Distanz – sein Erzählerkommentar wirkt wie ein Bindeglied zwischen Krimi und Lokalgeschichte. In weiteren Rollen brillieren Lutz Mackensy, Kaspar Eichel, Dietmar Wunder, Ilona Otto, Sina Zadra, Reent Reins, Detlef Bierstedt und Friedel Morgenstern. Besonders eindrücklich: Manfred Lehmann mit düsterer Gravitas und Torsten Michaelis als undurchsichtiger Kabinettsleiter.
Die akustische Gestaltung ist hier ein Hauptdarsteller. Geräusche wie das leise Knarzen von Holzplanken, das Rascheln eines Umhangs, dumpfe Schritte im Wachskabinett oder das leise Ticken einer alten Standuhr verleihen der Folge eine klaustrophobische Atmosphäre. Der Soundtrack ist zurückhaltend, aber wirkungsvoll: spärliche Klaviertöne, eine entfernte Drehorgel, ein Hauch von Zirkusmusik – alles wirkt entrückt, wie in einem Albtraum aus dem vorigen Jahrhundert. Die Tontechnik leistet hier vorbildliche Arbeit und lässt das Panoptikum zum Leben erwachen.
Wieder ist der Berliner Stadtumriss das grafische Grundelement – diesmal in einem matten Bronzeton. Das Bildmotiv, Wachsfiguren bei einer Folterszene, ist unheimlich und stilisiert zugleich, nicht zu drastisch, aber suggestiv genug, um den Ton der Folge anzudeuten. Die Typografie bleibt wie gewohnt sachlich und auf den Punkt. In Kombination mit der gedämpften Farbgebung ergibt sich ein Cover, das unter die Haut geht – ganz wie die Geschichte selbst.
Panik im Panoptikum ist keine gewöhnliche Krimifolge. Es ist ein atmosphärisches Kammerspiel im Gewand eines Ermittlungsdramas – ruhig, unheilvoll und überraschend tiefgründig. Die Folge lebt nicht vom Tempo, sondern von ihrer dichten Inszenierung und der gelungenen Verbindung aus historischer Kulisse und düsterer Fiktion. Für Hörer, die lieber lauschen als hetzen, ist diese Episode ein kleiner Gänsehautgarant. Ein starker Beitrag zur zweiten Staffel – mutig, anders, hervorragend gespielt.