Gestatten, Piefke - 10. Mord in der Motzstraße
Das Elysium in der Berliner Motzstraße ist eine Institution: ein schillerndes Amüsiertheater, in dem Transvestiten in opulenten Shows das Publikum begeistern. Doch hinter der glitzernden Kulisse brodelt es. Als der junge Puppenjunge Alexander Mutsch tot aufgefunden wird, bittet Polizeikommandeur Kronberger den Ermittler Walter Piefke, in diesem prekären Milieu verdeckt zu ermitteln. Gemeinsam mit der Reporterin Anna Wagner taucht Piefke tief ein in eine Welt aus Eitelkeiten, Rivalität und Lebenslügen – und entdeckt dabei, dass das Mordmotiv näher liegt, als er dachte.
Mit dieser zehnten Folge schlägt Gestatten, Piefke neue Töne an – leiser, feinfühliger, atmosphärisch dichter. Es ist weniger die pure Spannung, sondern vielmehr das Milieu, das fasziniert. Die Geschichte selbst ist solide konstruiert, überrascht aber weniger durch unerwartete Wendungen als durch ihre Sorgfalt im Umgang mit einem sensiblen Thema. Die Serie bleibt damit ihrem Prinzip treu, historische Kulisse und Krimihandlung zu verbinden, legt den Fokus diesmal aber stärker auf Figuren und Stimmung.
Silke Walters Skript verknüpft gekonnt die queere Szene der 1920er Jahre mit einem klassischen Whodunit-Konstrukt. Piefkes Ermittlungen zwischen Paillettenkleidern, flüsternden Garderoben und den Schattenseiten der Bühnenwelt entfalten sich ruhig, manchmal fast elegisch. Der Spannungsbogen ist nicht übermäßig straff gespannt, doch das Hörspiel lebt vom Kontrast zwischen Bühnenlicht und Abgrund. Es wird nicht effekthascherisch erzählt, sondern mit Gespür für Zwischentöne, was dem Sujet angemessen ist. Besonders gelungen ist die Art, wie das Hörspiel seine Themen einbettet – ohne Klischees, dafür mit historischer Tiefe.
Oliver Stritzel führt als Walter Piefke souverän durch die Folge, mit der gewohnten Mischung aus Schnoddrigkeit und Empathie. Ariane Borbach überzeugt erneut als kluge und pragmatische Journalistin Anna Wagner – ihr Zusammenspiel mit Stritzel ist glaubhaft und ergänzt sich hervorragend. Dietmar Wunder als Kronberger wirkt diesmal etwas zurückhaltender, bleibt aber eine konstante Größe im Ensemble. Besonders stark: Marcel Mann in einer markanten Nebenrolle – eindrücklich und glaubwürdig. Auch Peter Sura, Brian Sommer und Kaspar Eichel tragen zur dichten Figurenzeichnung bei.
Akustisch ist „Mord in der Motzstraße“ wieder ein Volltreffer. Die Geräusche hinter der Bühne, das entfernte Dröhnen von Applaus, das Rascheln von Tüll und das hektische Murmeln in Garderoben lassen das Elysium als Ort der Verwandlung lebendig werden. Der dezente, aber stilvolle Soundtrack fängt das Gefühl der „wilden Zwanziger“ ein, ohne sich in Retromusik zu verlieren. Das Sounddesign ist sensibel, durchdacht und wird der Stimmung des Stücks mehr als gerecht. Kein aufgesetztes Dröhnen, kein lärmender Bombast – hier regieren feine Nuancen.
Wieder folgt das Cover dem bewährten Gestaltungskonzept: Berliner Stadtumriss, dieses Mal in Violett. Das zentrale Motiv – zwei Männer in Damenkleidung beim Walzer – ist eine passende, wenn auch zurückhaltende Wahl. Es deutet das Thema an, ohne plakativ zu wirken, und reiht sich ästhetisch nahtlos in die Reihe ein. Die klare Typografie, die stilsichere Farbwahl und die dezente Symbolik ergeben ein harmonisches Gesamtbild.
Mord in der Motzstraße ist eine stille, aber eindrucksvolle Folge. Sie besticht nicht durch Nervenkitzel, sondern durch Atmosphäre, historische Sorgfalt und das feinfühlige Spiel mit Ambivalenz. Die Krimihandlung ist solide, aber nicht spektakulär – das emotionale Gewicht liegt auf den Figuren. Diese zehnte Episode zeigt eindrucksvoll, wie viel Reiz im Innehalten, im Beobachten und im Leisen liegt. Eine hörenswerte Folge, die neue Töne anschlägt – sensibel, respektvoll, authentisch.