Caine - 3. Collin Drake und die Bruderschaft
Ein Motelzimmer, graue Wände, flackerndes Licht – Steven Caine liegt bewusstlos, gefangen in einem Strudel aus Erinnerungen, Träumen und dämonischen Stimmen. Zwischen dem Heute und der Nacht seiner Hinrichtung, zwischen Schmerz und Gewalt, beginnt sein Geist zu zerfasern. Erst Linda Watkins gelingt es, ihn zurückzuholen – doch Caine ist nicht mehr der, der er war. Etwas in ihm ist erwacht, das nicht wieder schläft. Während draußen die Bruderschaft um Collin Drake ihre nächsten Züge plant, entfesselt sich in Caine eine unheilvolle Kraft. Und er wird zum Instrument eines Krieges, den er nie gewollt hat.
Mit Folge drei schaltet die Serie Caine vom äußeren Chaos zum inneren Sturm. Nach der direkten Konfrontation mit den Aganoi in Todesengel beginnt nun eine Phase der psychologischen Vertiefung. Es ist weniger die Gewalt von außen, die Caine in dieser Episode bedroht, sondern die Gewalt in ihm. Die Frage nach der eigenen Identität, die schon in den ersten beiden Folgen latent mitlief, wird jetzt zentral. Gleichzeitig wird die Serie komplexer: neue Figuren, neue Allianzen, neue Fragen.
Günter Merlau inszeniert diese Folge wie ein fiebriges Kammerspiel – mit langsamen, fließenden Übergängen zwischen Traum und Wirklichkeit, Rückblenden und Visionen. Caines Erinnerungen, seine früheren Taten, seine Angst vor dem eigenen Wahnsinn verweben sich zu einem akustischen Albtraum. Der Erzählfluss ist weniger linear, fast hypnotisch. Doch mitten in dieser inneren Zersetzung formt sich neue Energie – gefährlich, unkontrollierbar. Parallel dazu treten erneut größere Kräfte in Aktion: die Bruderschaft, Collin Drake, neue Namen und neue Fragen. Der Plot verdichtet sich, ohne an Dichte zu verlieren. Wer bislang dachte, die Serie habe ihren Härtegrad bereits ausgespielt, wird hier eines Besseren belehrt – auf subtilere, psychologischere Weise.
Torsten Michaelis liefert hier seine bislang intensivste Leistung ab. Seine Stimme taumelt, ringt, bricht – aber sie verliert nie den Halt. Claudia Urbschat-Mingues spielt die Linda Watkins mit Nachdruck und Wärme zugleich, was der Folge eine wichtige emotionale Erdung gibt. Lutz Riedel bleibt als Kartaan bedrohlich-präsent, während Gerald Paradies als Collin Drake endlich seine Figur in voller Macht entfaltet – gefährlich charmant und undurchsichtig. Auch Max Unützer als Richard Solomon setzt einen prägnanten neuen Akzent. Das Ensemble wirkt eingespielt und stimmlich absolut souverän.
Auch akustisch verändert sich der Ton: weniger Bombast, mehr Atmosphäre. Die Rückblenden und inneren Stimmen sind vielschichtig montiert, Klangräume verschieben sich unmerklich, Musik und Geräusche fließen ineinander. Die Tracks mit Mnemic und anderen Industrial-Elementen treten in den Hintergrund, machen Platz für eine düster-melancholische Klangtextur. Das Ergebnis ist ein dunkler Fluss, der den Hörer langsam in den Abgrund zieht. Merlau und sein Team nutzen den Raum, das Hallverhalten und das Flüstern der Stimmen meisterhaft aus – hier wird nicht mehr nur erzählt, sondern gefühlt.
Gelb dominiert das Cover – ungewohnt freundlich für eine Serie wie Caine. Doch der Schein trügt: Zwischen den stilisierten Figuren, die an Graphic Novel erinnern, taucht erneut das Blut auf. Die Symbolik ist eindeutig: Diese Welt kennt keine Unschuld. Stilistisch bleibt das Design sich treu, erweitert aber die Palette – fast wie ein visuelles Pendant zur erweiterten inneren Welt dieser Folge.
Collin Drake und die Bruderschaft ist die bisher eindringlichste Folge der Serie. Sie zeigt die dunkle Zersetzung einer gebrochenen Figur, die inmitten eines Überlebenskrieges nicht mehr weiß, wer sie ist. Gleichzeitig baut sie den Mythos um die Kyan’tor, Aganoi und die Bruderschaft weiter aus – mit erzählerischer Dichte und klanglicher Präzision. Wer sich auf diesen Hörtrip einlässt, erlebt kein gewöhnliches Hörspiel – sondern einen akustischen Abstieg in die Finsternis der eigenen Seele. Ein düsteres Meisterstück.