Gestatten, Piefke - 8. Der Schlachter vom Schlesischen Bahnhof
Eine grausame Mordserie erschüttert Berlin: Im Luisenstädtischen Kanal werden beinahe täglich zerstückelte Frauenleichen gefunden. Die Presse spricht vom „Schlachter vom Schlesischen Bahnhof“, und ganz Berlin verfällt in Angst. Polizeichef Uwe Kronberger beauftragt Walter Piefke persönlich mit den Ermittlungen – ein Fall, der ihm alles abverlangt. Die Spur führt tief hinein in die düstere Seite der Großstadt: in den Friedrichshain, wo Armut, Prostitution, Gewalt und Hoffnungslosigkeit den Alltag bestimmen. Zwischen Revierkämpfen, geheimen Bordellen und verschlossenen Türen stößt Piefke auf die Abgründe einer zerrissenen Stadt – und auf eine Wahrheit, die ihn mehr erschüttert als jeder Tatort.
Mit Der Schlachter vom Schlesischen Bahnhof geht die Alt-Berliner Krimiserie Gestatten, Piefke in die achte Runde. Es ist die zweite Folge der zweiten Staffel – und sie zeigt einmal mehr, wie gekonnt die Serie zwischen klassischem Detektivkrimi, historischer Milieustudie und modernem Hörspiel erzählt. Dieses Mal ist der Fall besonders brutal und düster – und wird trotzdem nicht reißerisch inszeniert. Vielmehr lebt die Geschichte vom starken Zeitkolorit, den feinen Dialogen und der behutsamen Charakterzeichnung. Auch wenn der Spannungsbogen nicht ganz an Folge 7 heranreicht, bleibt das Hörerlebnis durchweg fesselnd.
Das Skript baut die Geschichte ruhig und fast dokumentarisch auf. Die Ermittlungen folgen keinem reißerischen Thriller-Muster, sondern eher der Logik einer klassischen Polizeiarbeit mit Rückschlägen, Sackgassen und überraschenden Details. Der Seriencharakter erlaubt eine gewisse Langsamkeit, die hier bewusst eingesetzt wird: Man taucht tief ein in die Atmosphäre der 1920er Jahre – mit dampfenden Garküchen, verrauchten Kneipen und ewig klappernden Droschken im Hintergrund. Gerade das erzeugt eine nachhaltige Spannung, auch wenn der Täter recht früh zu erahnen ist. Die Folge bleibt deshalb nicht weniger fesselnd, sondern wirkt eher wie ein düsterer Spaziergang durch ein vergangenes Berlin.
Oliver Stritzel als Walter Piefke bleibt das Rückgrat der Serie – lakonisch, wachsam, nie überdreht. Till Hagen gibt als Erzähler die historische Tiefe dazu und schafft es, auch sachliche Informationen atmosphärisch einzubetten. Ariane Borbach, Dietmar Wunder und Klaus-Dieter Klebsch bereichern das Ensemble mit Charakterstimmen, die man sofort verortet – egal ob als zwielichtiger Zuhälter, verzweifelte Mieterin oder Ermittler im Schatten des Gesetzes. Das Ensemble wirkt eingespielt, souverän und voller Gespür für Nuancen.
Die akustische Gestaltung ist einmal mehr exzellent. Die Klangkulisse lässt das alte Berlin plastisch werden – ohne klischeehaftes Geklapper oder übertriebene Geräusche. Es sind eher kleine Elemente wie das Knarren von Treppen, entfernte Glockenschläge oder das Klappern von Kaffeetassen, die diese Welt entstehen lassen. Die Musik bleibt im Hintergrund, setzt aber gezielt Akzente in besonders düsteren oder stillen Momenten. Die Balance zwischen Geräusch, Musik und Sprache ist hervorragend abgemischt – eine Produktion auf durchweg hohem Niveau.
Die Gestaltung ist in gedecktem Grau gehalten, überlagert von der abstrahierten Illustration eines Bahnhofsgewölbes – streng, architektonisch, beklemmend. Die klare Typografie und das spartanische Layout fügen sich nahtlos in die gestalterische Linie der Serie. Der Verzicht auf Farben oder plakative Effekte passt zum Ton der Folge: Es geht nicht um vordergründigen Schrecken, sondern um eine schleichende, historische Kälte, die sich unter die Haut legt. Ein sehr stimmiges, fast schon verstörend sachliches Cover.
Der Schlachter vom Schlesischen Bahnhof ist vielleicht nicht die spannungsgeladenste, aber eine der atmosphärisch dichtesten Folgen der Reihe Gestatten, Piefke. Der Krimi ist solide konstruiert, die Dialoge stark, die Sprecherleistung herausragend. Was diese Folge besonders macht, ist das ungeschönte Bild eines zerrissenen, brutalen Berlins – eindringlich, authentisch und erschütternd. Eine Folge, die bleibt – nicht wegen eines spektakulären Finales, sondern wegen ihrer stillen Kraft und historischen Dichte.