John Sinclair: Tonstudio Braun - 24. Im Land des Vampirs 1/3
Die Lorelei – Sinnbild romantischer Sehnsucht und mystischer Verlockung. Doch hinter der Legende vom singenden Mädchen mit dem goldenen Haar verbirgt sich in Wahrheit ein dunkles Geheimnis: In den Schatten des berühmten Felsens lauert der uralte Vampir Graf Fariac, Herrscher eines Reiches aus Nebel, Blut und Angst. Als John Sinclair durch eine rätselhafte Mordserie an den Rhein gelockt wird, ahnt er nicht, dass ihn eine Reise in eine andere Wirklichkeit erwartet. Denn tief unter dem Schein der Romantik tobt ein Krieg gegen das Böse – und der Geisterjäger wird zur letzten Hoffnung gegen eine dunkle Dynastie.
Mit „Im Land des Vampirs“ beginnt eine der atmosphärisch dichtesten Drei-Teiler der klassischen John Sinclair-Ära aus dem Tonstudio Braun. Basierend auf Band 139 der Heftromanserie von Helmut Rellergerd alias Jason Dark, entführt diese Folge in eine Welt aus Sagen, Spuk und einer fast schon märchenhaften Düsternis. Der Kontrast zwischen der verträumten Lorelei-Sage und dem brutalen Vampirterror schafft eine besondere Spannung – perfekt inszeniert mit rauer Stimme, knisterndem Sound und viel 80er-Flair.
Die Inszenierung folgt dem typischen Braun-Stil: schnell, schroff, geradlinig – aber zugleich mit viel Gespür für Atmosphäre. Die Geschichte entfaltet sich wie ein klassischer Gothic Horror: Kutscher, Gasthof, düstere Burgen, geheimnisvolle Adelige, undurchsichtige Wachen. Die Bildsprache ist dabei akustisch stets präsent. Regisseur Erwin Scherschel lässt Szenen mit donnerndem Nachhall und knarzenden Türen aufleben, während Peter Seidels Musik die Spannung mal getragen, mal grell unterlegt. Gerade im ersten Teil bleibt vieles im Unklaren: Was hat es mit Ilona und ihrer Familie auf sich? Wer ist Freund, wer Feind? Diese fragmentarische Erzählweise funktioniert, weil sie den Hörer neugierig macht – ein Kunstgriff, den spätere Serien nicht immer so souverän beherrschen. Der Drei-Teiler beginnt mysteriös und verspricht eine eskalierende Auseinandersetzung mit einem mächtigen, charismatischen Gegner.
Helmut Winkelmann als John Sinclair bleibt in seiner typischen, lakonischen Manier. Nicht zu emotional, aber klar, direkt und mit innerer Überzeugung – so funktioniert diese Figur. Charlotte Acklin bringt Ilona Marek die nötige Mischung aus Verletzlichkeit und innerer Stärke. Christian Reiner, Anfried Krämer und Karl-Heinz Staudenmayer liefern bodenständige bis schaurige Nebenfiguren. Besonders Christiane Pauli als Gräfin Fariac bleibt im Ohr – ihre Stimme vereint kalte Eleganz mit unterschwelliger Bedrohung. Die Erzählerin Marianne Mosa führt mit ruhiger Intensität durch das Geschehen, was dem Hörspiel die notwendige Struktur verleiht.
Die Aufnahmequalität ist typisch für das Tonstudio Braun: direkt, ohne viel Nachbearbeitung, aber lebendig und präsent. Die Geräuschkulisse – von Pferdegetrappel bis Vampirangriff – wirkt handgemacht, was dem Hörspiel seinen besonderen Retro-Charme verleiht. Die Musik von Peter Seidel ist stimmungsvoll, leicht psychedelisch, oft auf Synthesizerbasis – ein akustischer Fingerabdruck der 80er-Jahre-Ära.
Das Cover zeigt eine Szene wie aus einem alten Gruselschmöker: eine junge Frau zieht einen Zigeunerwagen, während ein Vampir mit wehendem Umhang über ihr auftaucht. Es ist übertrieben, plakativ, pulpig – und genau das macht es so reizvoll. Der grüne Rahmen mit dem gelben Schriftzug „Geisterjäger John Sinclair“ steht in ikonischem Kontrast zur düsteren Szene. Der „Original Braun“-Stempel rundet das Nostalgiegefühl perfekt ab.
„Im Land des Vampirs“ ist ein atmosphärischer Einstieg in ein großes, düsteres Vampir-Abenteuer – mit mythologischem Einschlag, rätselhaften Figuren und starkem Spannungsaufbau. Die typische Tonstudio-Braun-Ästhetik trifft hier auf ein besonders stimmungsvolles Szenario, das Raum für Geheimnisse, Grusel und Drama lässt. Ein Muss für Sinclair-Fans – und ein idealer Auftakt für eine der unheimlichsten Reisen im Sinclair-Universum.