20 Zigaretten (WDR 2007)
Oscar Klavier ist 59 Jahre alt, Brite, Lebenskünstler – und Kettenraucher. Seit seiner Kindheit sind Zigaretten für ihn mehr als ein Laster: Sie sind Lebensphilosophie, Stilmittel und Trostspender in einem. Doch nun soll Schluss sein, denn seine große Liebe Suki stellt ihm ein Ultimatum. Auf Oscar wartet ein tragikomischer Abschied vom blauen Dunst – erzählt in Rückblicken, gezeichnet von drei Stimmen in unterschiedlichen Lebensphasen.
Mit feiner Ironie und bittersüßer Melancholie erzählt „20 Zigaretten“ vom Abschiednehmen – nicht nur von einem Genussmittel, sondern auch von Lebensentwürfen, Illusionen und sich selbst. Das Stück ist kein reiner Raucher-Monolog, sondern eine präzise Studie über Gewohnheiten, Abhängigkeit und das, was wir aus ihnen machen. Marcy Kahan gelingt ein leises, aber eindrückliches Hörspiel über eine Generation, die in verrauchten Cafés aufwuchs – und irgendwann feststellen muss, dass auch Rauchwolken sich auflösen.
Das Hörspiel funktioniert in Episoden, die wie Asche vom Filter herabfallen – kleine Erinnerungsfetzen, Anekdoten, Tragödchen und echte Verluste. Der Erzählduktus ist charmant und kultiviert, manchmal fast brüchig und dennoch immer präsent. Oscars Liebesleben, seine Kindheit, seine Obsessionen – all das wird in Momentaufnahmen eingefangen, fast wie ein Kaleidoskop. Dabei gelingt es der Inszenierung, zwischen Komik und Tragik zu pendeln, ohne in Klischees zu verfallen.
Das Ensemble ist hervorragend besetzt. Dietmar Mues verleiht dem älteren Oscar Tiefe und Ironie, Jona Mues überzeugt als dessen jugendliches Ich mit authentischer Rastlosigkeit, und Lorenzo Liebetanz rundet das Trio als kindlicher Oscar auf berührende Weise ab. Auch Hans Löw als junger Milo und Jürg Löw als sein älteres Pendant bringen ruhige Stärke ins Spiel. Die vielen Nebenrollen – Suki, Dr. Roth, Philippe und viele mehr – sind ebenfalls prägnant besetzt und ergänzen das Bild von einem Leben voller Menschen und verpasster Momente.
Die Regie von Thomas Werner findet einen feinen Rhythmus zwischen Dialog und Reflexion. Musikalisch zurückhaltend, aber stimmig, lebt das Stück vor allem von seiner Sprache und den Stimmen. Die technische Realisierung ist klar, sauber produziert und unterstützt den Text an den richtigen Stellen. Man merkt, dass hier mit Feingefühl gearbeitet wurde – ohne übertriebene Effekte.
Das Cover zeigt Oscar in stilisierter, fast comicartiger Darstellung beim Anzünden einer Zigarette. Die Farbwahl in Lila und Orange wirkt modern und ironisch zugleich – ein klares visuelles Statement, das die Ambivalenz zwischen Genuss und Sucht, Nostalgie und Bruch gut einfängt.
„20 Zigaretten“ ist ein kluges, unterhaltsames und berührendes Hörspiel über einen Menschen, der an seiner Leidenschaft hängt – und an seiner Angst, ohne sie nichts mehr zu sein. Die Reflexion über das Rauchen wird zur Metapher für Lebenslügen, Routinen und verpasste Chancen. Ein Hörspiel, das mit feinem Humor und tiefer Melancholie wirkt, ohne jemals sentimental zu werden. Ideal für alle, die gute Dialoge, leise Zwischentöne und eine Prise britischen Charmes lieben.