Midnight Tales - 71. In den Mauern von Eryx
Kenton J. Stanfield wird auf die Venus 2 entsandt, um als Kristall-Prospektor nach wertvollen Ressourcen zu suchen. Doch der Planet ist alles andere als freundlich. Giftige Gase, aggressive Echsenwesen und mysteriöse Phänomene lauern im Dickicht. Als Stanfield in eine unsichtbare Struktur gerät, beginnt ein Kampf ums Überleben – aber auch gegen das eigene Verständnis von Realität. Je länger er in den Mauern von Eryx gefangen ist, desto brüchiger wird die Grenze zwischen Logik und Wahnsinn.
Folge 71 der Midnight Tales ist eine ungewöhnliche Lovecraft-Adaption – nicht Cthulhu, nicht Arkham, sondern: die Venus. Julie Hoverson greift die wenig bekannte Story „In the Walls of Eryx“, die Lovecraft mit Kenneth Sterling verfasste, auf und verwandelt sie in ein klaustrophobisches Science-Fiction-Hörspiel, das dennoch ganz im Geiste des kosmischen Grauens bleibt.
Die Handlung entwickelt sich in einem zunehmend beklemmenden Kammerspiel unter freiem Himmel. Was als Expedition beginnt, wird schnell zum psychischen Überlebensdrama. Das Spiel mit Wahrnehmung, Orientierung und Zeitdruck erzeugt eine intensive Spannung, die an Filme wie Cube oder The Martian erinnert – gepaart mit Lovecrafts typisch existenziellem Horror. Es geht weniger um Monster als um das Ausgeliefertsein an eine Welt, die nicht nach menschlichen Regeln funktioniert.
Matthias Hoff trägt als Kenton Stanfield das Stück mit starker Präsenz, seine Verzweiflung und Isolation wirken greifbar. Wolfgang Pampel als Marshall Miller bringt autoritären Ernst in die Kontrollzentrale, während Judith Steinhäuser als Dana Manners für die emotionale Fallhöhe sorgt. Johannes Quester und Pia-Rhona Saxe runden das Ensemble mit glaubwürdiger Nebenrollenarbeit ab – auch der Computer hat hier eine verstörend menschliche Note.
Klanglich ist das Hörspiel ein Erlebnis: Michael Donner und Scott Lyle Sambora liefern einen ambient-lastigen Soundtrack, der zwischen Hoffnung und Beklommenheit oszilliert. Tarek Khalf sorgt für ein exzellentes Sounddesign – das Dickicht atmet, die Wände rauschen, und die fremde Welt klingt so fremd, wie sie sein soll. Piaseckis Regie und Schnitt sind wie gewohnt präzise und effektiv.
Alexander von Wiedings Cover ist erneut ein Kunstwerk: Ein gewaltiger roter Kristall ragt aus surrealem Ödland in einen kosmisch aufgeladenen Himmel – visuelle Science-Fiction mit psychedelischem Einschlag. Die grafische Identität der Serie bleibt auch hier stimmig und markant.
In den Mauern von Eryx ist ein bemerkenswert ruhiger, fast meditativer Albtraum. Eine Lovecraft-Adaption, die auf grelle Effekte verzichtet und sich stattdessen in das Grauen der Orientierungslosigkeit und Isolation stürzt. Für Freunde der leisen, aber tief schürfenden Science-Fiction ein echtes Highlight der Reihe – atmosphärisch, philosophisch und unheimlich gut produziert.