Die ganze Katastrophe (WDR 2025)

  • Die ganze Katastrophe (WDR 2025)

    Der Linguist Jeremy Cook ist arbeitslos, beziehungsscheu und sozial eher unbeholfen. Wie aus dem Nichts landet er bei einer Agentur, die Paare in der Ehekrise betreut – und das auf unorthodoxe Weise: Jeremy soll in den Haushalt von Dan und Beth einziehen und dort ihre Kommunikation beobachten, analysieren und verbessern. Dass er selbst in Sachen zwischenmenschlicher Nähe ein Defizit hat, macht die Sache nicht leichter. Während Dan und Beth sich entfremden, wird Jeremy ungewollt Teil eines Beziehungskammerspiels, das ihn mehr verändert, als ihm lieb ist.

    Die ganze Katastrophe ist ein Hörspiel, das Witz, Charme und zwischenmenschliche Tiefen gekonnt verbindet – und das auf musikalisch ungewöhnliche Weise. Die Vorlage stammt von David Carkeet, dessen gleichnamiger Roman in der deutschen Übersetzung von Dirk van Gunsteren seit Jahren ein Geheimtipp ist. Unter der Regie von Sascha von Donat und mit der Komposition von Rainer Quade entsteht ein Feelgood-Hörspiel, das genauso viel zum Schmunzeln wie zum Nachdenken bietet.

    Die Geschichte lebt von der Reibung: Ein weltfremder Sprachwissenschaftler soll eine Ehe retten – durch Analyse, Grammatik und Beobachtung. Was zunächst absurd klingt, entfaltet sich als amüsant-feinsinnige Tragikomödie, in der Alltagsgespräche plötzlich zur Forschungsquelle werden. Das Hörspiel erzählt mit liebevollem Spott und spürbarer Sympathie für seine Figuren. Der Humor ist nie platt, sondern kommt oft aus der Sprachverrenkung selbst – eine seltene Qualität im Genre. Zugleich bleiben die Emotionen greifbar: Frust, Enttäuschung, Hoffnung und leise Annäherung bilden den emotionalen Kern.

    Carl Bruchhäuser trifft als Jeremy Cook genau den richtigen Ton zwischen Unsicherheit und analytischer Präzision. Slim Weidenfeld als Dan und Asya Pritchard als Beth liefern ein glaubhaft zerstrittenes Paar – mit feinen Zwischentönen und emotionaler Dichte. Marlene Meissner als Erzählerin gibt dem Ganzen eine charmante Metaebene. Auch die Nebenrollen – von Beths Eltern über die Agenturmitarbeiterin bis zu Jeremies Kollegen – sind gut besetzt und fügen sich organisch ins Gesamtbild ein.

    Rainer Quades musikalische Gestaltung bringt eine ironisch-leichtfüßige Note ein, die den Sprachwitz unterstreicht, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Die Tonspur ist durchweg differenziert, mit realistischen Raumklängen und präzisem Sounddesign. Besonders gelungen ist das Zusammenspiel von Sprache und Musik, das der Produktion eine dynamische, fast filmische Qualität verleiht.

    Das Cover im Pop-Art-Stil zeigt eine weinende Frau im Vordergrund, während im Hintergrund ein Mann wortlos den Raum verlässt – ein pointiertes Sinnbild für das emotionale Zentrum der Geschichte. Die grellen Farben und die Comicästhetik verweisen auf die ironische Brechung, mit der das Thema „Beziehungschaos“ hier erzählt wird.

    Die ganze Katastrophe ist ein intelligentes, verspieltes Hörspiel über die Irrungen und Wirrungen moderner Beziehungen – eine pointierte, gleichzeitig warmherzige Auseinandersetzung mit Kommunikation, Nähe und der Kunst, sich nicht völlig zu verlieren. Die Produktion überzeugt durch sprachlichen Witz, stimmige Musik und ein Ensemble, das mit hörbarer Spielfreude bei der Sache ist. Ein echtes Hörvergnügen mit Tiefgang – und ein gelungener Auftakt für das zweiteilige Eheabenteuer.

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