Storyboard (SWR 2006)
Fünf verhaltensauffällige Jugendliche sollen durch ein betreutes Sommerlager in Schweden wieder auf den richtigen Weg gebracht werden. Doch kaum beginnt das pädagogisch geplante Abenteuer, nimmt die Geschichte eine dunkle Wendung: Mitten im Wald bleibt das Fahrzeug liegen. Der Betreuer verschwindet angeblich auf der Suche nach Hilfe – und kehrt nie zurück. Auf sich allein gestellt, driften Hilla, Steff, Ninja, Chili und Oskar zunehmend in eine beklemmende Welt aus Misstrauen, Unsicherheit und Angst. Als sie begreifen, dass ihre Erlebnisse möglicherweise Teil eines perfiden Plans sind, ist es bereits zu spät. Zwei von ihnen verunglücken – und Staatsanwältin Heide Benz übernimmt die Ermittlungen.
Mit Storyboard legt Herbert Beckmann ein eindrucksvolles Debüt als Kriminalhörspielautor vor. Was als pädagogisch motivierter Ausflug beginnt, entwickelt sich zum packenden Psychothriller. Statt einfacher Antworten entfaltet sich ein dichtes Netz aus Täuschung, Kontrolle und der Frage nach Schuld. Regisseur Ulrich Lampen setzt das Buch in ein atmosphärisch dichtes, zutiefst verstörendes Hörerlebnis um – kein leichter Stoff, aber ein sehr starker.
Der dramaturgische Aufbau ist klug: Die anfängliche Orientierungslosigkeit der Jugendlichen überträgt sich auf das Publikum. Man schwankt zwischen Mitgefühl, Skepsis und wachsender Faszination. Die Geschichte spielt mit der Grenze zwischen Wirklichkeit und Inszenierung – und genau das ist die große Stärke dieses Hörspiels. Beckmann nutzt seine psychologische Erfahrung, um Figuren glaubhaft zu entwickeln und sie in ein moralisch hochbrisantes Szenario zu schicken, das zunehmend eskaliert. Die Auflösung ist kein befreiender Moment – sondern eine weitere Schicht der Erschütterung.
Bianca Nele Rosetz bringt mit ihrer Stimme die innere Zerrissenheit von Hilla überzeugend zum Ausdruck, während Ludwig Trepte als impulsiver Steff den richtigen Ton zwischen Trotz und Verletzlichkeit trifft. Rosalie Thomass als Chili und Mira Partecke als Ninja bringen Leben in die Gruppendynamik, die von Anfang an unter Spannung steht. Krista Posch als Staatsanwältin Benz verleiht der Ermittlungsebene die nötige Kälte und Klarheit. Auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt – niemand spricht „nur“, alle leben ihre Figuren.
Geräusche, Musik und Atmosphären sind durchweg stimmig. Besonders die Szene mit dem Zurückgelassenwerden im Wald, die Geräusche der Nacht, das Knacken der Äste und die beunruhigende Stille danach – all das baut eine beklemmende Stimmung auf. Die technische Realisation von Andrea Mammitzsch und Christiane Köhler ist subtil und wirkungsvoll. Nichts ist zu viel, nichts zu wenig – alles trägt die Geschichte.
Das Cover zeigt eine dunkle Waldszene, in der eine einzelne Gestalt vom Schein einer Taschenlampe oder eines Autoscheinwerfers eingefangen wird. Das Grün des Waldes wird vom Schwarz der Nacht verschluckt, der Schatten des Menschen wirkt fast wie ein Mahnmal. Am linken Rand die Silhouette der Justitia-Figur – dezent, aber wirkungsvoll. Dieses Bild passt hervorragend zum Inhalt: Der Wald als Ort der Isolation, des Kontrollverlusts, der Wahrheitssuche. Und die Justitia – blind? Urteilsfähig? Eine visuell starke Umsetzung.
Storyboard ist ein eindrucksvolles Kriminalhörspiel, das keine leichte Kost ist, aber genau deshalb nachhaltig wirkt. Es erzählt von Kontrollverlust, Täuschung und seelischem Missbrauch – und stellt unbequeme Fragen. Die Dialoge sitzen, die Figuren überzeugen, die Atmosphäre zieht einen unweigerlich in den Bann. Für Freunde anspruchsvoller Psychothriller ein echter Tipp. Dieses Hörspiel gehört nicht nebenbei gehört – es verlangt Aufmerksamkeit und belohnt sie mit Nachhall.