Tödlicher Stachel (WDR 2009)
Regisseur Jost Feldmann verliebt sich Hals über Kopf in die Journalistin Katarina Jäger. Doch diese Liebe ist kein leichtes Spiel – es wird seine schwerste Inszenierung. Katarina trauert noch um ihren verstorbenen Ehemann, klammert sich an astrologische Deutungen und legt eine unnachgiebige Weltverbessererhaltung an den Tag, die Jost herausfordert. Hinzu kommt ihre beste Freundin Gudrun, die Jost’ Werben misstrauisch und zunehmend feindselig begegnet. Je mehr sich Jost bemüht, desto mehr entgleitet ihm die Kontrolle – bis aus Leidenschaft ein zerstörerisches Netz aus Obsession und Abhängigkeit wird.
Mit „Tödlicher Stachel“ hat Gabriele Wolff ein intensives Kammerspiel geschrieben, das sich tief in die psychologischen Untiefen menschlicher Beziehungen vorwagt. Es ist kein klassischer Krimi, sondern ein beklemmendes Drama über Liebe, Manipulation und den Zerfall emotionaler Kontrolle. In gerade einmal 47 Minuten entfaltet sich eine Geschichte, die schmerzhaft realistisch ist – und deshalb so stark wirkt.
Die Stärke dieses Hörspiels liegt im subtilen Aufbau: Wie Jost Schritt für Schritt sein Gegenüber und schließlich sich selbst inszeniert, wird in präzisen Dialogen und fein gezeichneten Szenen deutlich. Die Beziehung zwischen ihm und Katarina bleibt ambivalent – zwischen echter Zuneigung und Berechnung. Katarinas Sternengläubigkeit, ihre Trauer, ihr Idealismus – all das entzieht sich einer klaren Bewertung, wirkt aber wie ein Spiegel für Jost’ zunehmende Ratlosigkeit. Die Figur der Gudrun als kritisch-kommentierende Dritte bringt eine zusätzliche Reibung ins Spiel, die das Drama konsequent verschärft.
Tobias Oertel überzeugt in der Rolle des Jost mit einer Mischung aus Charme, Dringlichkeit und unterschwelliger Bedrohlichkeit. Anna Thalbach verleiht Katarina Tiefe, Verletzlichkeit und eine fast trotzige Eigenständigkeit. Judith Engel als Gudrun bringt die nötige Kühle und Schärfe, die das Stück erdet. Max Volkert Martens als Bernhard bleibt eher im Hintergrund, liefert aber glaubwürdige Momente. Roman Kohnle als Werbesprecher setzt mit seiner Stimme einen pointierten Gegenpol.
Die Regie von Annette Kurth setzt auf Zurückhaltung – und genau das macht das Stück so intensiv. Keine Effekthascherei, keine übertriebene Musikuntermalung. Stattdessen vertraut man ganz auf die Kraft der Sprache und das Zusammenspiel der Figuren. Das sorgt für Nähe – fast klaustrophobisch eng –, aber nie unangenehm. Die Produktion ist typisch WDR: klar, auf den Punkt, wirkungsvoll.
Das Cover von Tödlicher Stachel fällt sofort ins Auge: In kräftigem Pink gehalten, zeigt es eine stilisierte Frau mit entschlossener Miene, die eine Pistole hält. Die Linienführung ist skizzenhaft und erinnert an Pop-Art oder Graphic Novel-Ästhetik. Das Bild vermittelt eine Mischung aus Stärke, Verführung und Gefahr – genau die Elemente, die das Hörspiel thematisch ausloten. Der knallige Farbton kontrastiert die emotionale Schwere der Geschichte und verleiht dem Hörspiel eine fast ikonische visuelle Note, die es von klassischen Krimi- oder Liebesdramen deutlich abhebt.
„Tödlicher Stachel“ ist ein stilles, aber eindringliches Hörspiel über emotionale Abhängigkeit, Kontrollverlust und das Scheitern an der Idee von Liebe. Die dichte Atmosphäre, die psychologische Genauigkeit und das starke Ensemble machen diese Produktion zu einem kleinen Juwel für Hörerinnen und Hörer, die kluge, ruhige, aber nachhaltige Geschichten schätzen. Kein Spektakel – aber ein Gift, das langsam wirkt.