Wenn man von Kult-Hörspielen in Deutschland spricht, dann kommt man an Die drei ??? nicht vorbei. Seit 1979 begleiten Justus, Peter und Bob Generationen von Hörerinnen und Hörern. Doch es gab eine Zeit, in der plötzlich alles anders war – eine Zeit, in der ein anderes Logo auf den Kassetten stand, neue Titelmelodien erklangen und die altbekannten Stimmen in einer neu benannten Serie ermittelten. Diese Zeit hieß DiE DR3i.
Die Hörspielserie DiE DR3i war ein einmaliges Phänomen: ein offizieller, wenn auch unfreiwilliger, Ersatz für Die drei ??? – entstanden inmitten eines Rechtsstreits, getragen von der Hoffnung, die Fans nicht im Regen stehen zu lassen, und eingestellt, kaum dass sie sich richtig etablieren konnte. Und dennoch ist sie bis heute in Erinnerung geblieben – als Kuriosum, als mutiges Experiment und für manche sogar als frischer Impuls.
Der Hintergrund zur Entstehung der Serie war alles andere als kreativ-romantisch. Vielmehr war DiE DR3i das Ergebnis eines juristischen Streits zwischen dem Hörspiellabel EUROPA (Sony Music) und dem Kosmos Verlag. Letzterer hielt die Markenrechte an den Buchfiguren Die drei ??? und warf Sony vor, sich über Vereinbarungen hinwegzusetzen. Die Folge war ein jahrelanger Rechtsstreit, in dessen Verlauf EUROPA die Produktion der erfolgreichen Hörspielserie Die drei ??? einstellen musste. Ab Folge 121 ("Spur ins Nichts") war Schluss – eine Zwangspause, die sowohl Fans als auch die Macher selbst in eine merkwürdige Warteposition versetzte.
Doch statt sich geschlagen zu geben, entschloss man sich bei Sony Music zu einem bemerkenswerten Schritt. Um das eingespielte Produktionsteam nicht auf Eis zu legen und die beliebten Sprecher nicht zu verlieren, wurde kurzerhand eine neue Serie ins Leben gerufen: DiE DR3i. Der Name – stilistisch ähnlich, aber markenrechtlich eigenständig – war eine Art Brückenschlag für die Hörer, die sofort erkennen sollten: Das hier ist zwar neu, aber im Herzen vertraut.
Die Serie präsentierte sich als Reboot der bekannten Figuren – mit denselben Sprechern, aber mit neuen Namen. Oliver Rohrbeck sprach erneut den Anführer Justus, der nun jedoch Jupiter Jonas hieß. Jens Wawrczeck war wie gewohnt der sensible Peter, diesmal unter dem Namen Peter Crenshaw. Und Andreas Fröhlich gab wie eh und je den ruhigen Denker Bob, jetzt Bob Andrews. Der Schauplatz blieb Kalifornien, die Atmosphäre war ähnlich, aber DiE DR3i legte Wert darauf, sich nicht als simple Fortsetzung zu präsentieren. Es war ein Neubeginn – formal und inhaltlich.
Die Produktion der Serie lag weiterhin in den bewährten Händen von Heikedine Körting, die bereits seit den frühen Tagen von Die drei ??? federführend tätig war. Der Klang unterschied sich in Nuancen – moderner, atmosphärischer, aber unverkennbar EUROPA. Man erkannte sofort, dass hier Profis am Werk waren, die genau wussten, wie Hörspiel funktioniert.
Insgesamt erschienen acht reguläre Folgen sowie eine Sonderfolge:
- Das Seeungeheuer
- Die Pforte zum Jenseits
- Verschollen in der Zeit
- Zug um Zug
- Das Haus der 1.000 Rätsel
- Tödliche Regie
- ...und der kopflose Reiter
- Der Jahrhundertstein
Sonderfolge: Hotel Luxury End (ein Mitmach-Fall auf Doppel-CD)
Die Geschichten boten eine Mischung aus klassischen Krimi-Elementen, Mystery und etwas mehr Action als gewohnt. Besonders „Die Pforte zum Jenseits“ hob sich atmosphärisch stark hervor und zeigte, wie gut das neue Konzept eigentlich funktionierte. Der Stil erinnerte in Momenten mehr an moderne Serienformate als an die nostalgisch verklärte Hörspielwelt der 1980er-Jahre. Für viele Fans war das überraschend und erfrischend – für andere wiederum ein zu starker Bruch mit der gewohnten Klangkulisse.
Als Folge 8 war zunächst die Geschichte Das lebende Gemälde von André Minninger geplant. Stattdessen erschien Der Jahrhundertstein. Durch die Beendigung des Rechtsstreits und die damit einhergehende Einstellung der Serie wurde Das lebende Gemälde nicht mehr als DiE DR3i-Folge veröffentlicht. 2010 erschien die Geschichte leicht umgearbeitet als TKKG-Folge 171. Auch eine Folge von Tim Wenderoth namens Der Unsichtbare war ursprünglich für DiE DR3i vorgesehen. Nach dem Serienende wurde sie unter Wenderoths Pseudonym Tom Kerblau als TKKG-Folge 167 veröffentlicht.
Ferner schrieb Markus Winter drei unveröffentlichte Folgen. 28 Stufen erschien später als Folge der Sherlock Holmes Chronicles. Die unterirdische Kathedrale wurde unter dem Titel Die Kathedrale der Macht zur Auftaktfolge der Serie Ein Fall für die Rosen. Das Zeichen des Harlekins hingegen blieb bis heute unveröffentlicht. Ebenso unveröffentlicht ist eine namentlich unbekannte Doppelfolge von Ivar Leon Menger.
Ein liebevolles Detail, das vielen Hörern auffiel, war der Einsatz der Visitenkarte der Detektive. In jeder Folge – sowohl bei Die drei ??? als auch bei DiE DR3i – wird sie mindestens einmal angeboten. Während sie bei Die drei ??? meist vorgelesen wird, lehnen bei DiE DR3i alle Empfänger die Karte konsequent ab – ein Running Gag, der inszeniert war, um sich augenzwinkernd von der Originalserie abzugrenzen.
Obwohl DiE DR3i offiziell als eigenständige Serie vermarktet wurde, scheint im Hintergrund ein bewusstes Zeichen an die treue Fanbasis gesetzt worden zu sein: eine stille Fortführung der ursprünglichen Die drei ???-Zählung. Tatsächlich lassen sich auf den Coverbildern der regulären DiE DR3i-Folgen in kleinen, fast versteckten Details inoffizielle Folgennummern entdecken – beginnend mit der logischen Nachfolge von Die drei ??? Folge 120.
Demnach wäre Das Seeungeheuer inoffiziell die Folge 121, Die Pforte zum Jenseits die 122 und so weiter – bis Der Jahrhundertstein als Folge 128 erscheint. Die Sonderfolge Hotel Luxury End würde sich demnach außerhalb dieser Zählung bewegen. Diese winzigen Hinweise auf den Covern – mal in Form von Zahlen auf Gegenständen, mal subtil in die Gestaltung eingearbeitet – wirkten wie ein geheimes Zeichen an die Hörerschaft: Wir machen weiter, auch wenn der Name ein anderer ist.
Für viele Fans war das eine stille Bestätigung: DiE DR3i war keine bloße Zwischenlösung, sondern der Versuch, eine Brücke zu schlagen – würdevoll, augenzwinkernd und mit Respekt gegenüber der Geschichte, die mit Justus, Peter und Bob begann.
Eine interessante Randnotiz betrifft die Folge Der Jahrhundertstein: Ursprünglich war diese Geschichte von Markus Winter als Abenteuer für Die drei ??? geschrieben worden. Sie trug den Arbeitstitel Die drei ??? und der einarmige Bogenschütze und war eine Bewerbung beim Kosmos-Verlag im Jahr 2001 – allerdings ohne Erfolg. In überarbeiteter Form fand die Story schließlich als Folge 8 Eingang in DiE DR3i.
Die Rezeption der Serie fiel gemischt aus. Einige lobten die neue Ernsthaftigkeit, das modernere Sounddesign und die erzählerische Dichte. Andere vermissten die vertraute Atmosphäre, wie sie nur Die drei ??? im Original vermitteln können. In Fanforen wurde heiß diskutiert, oft mit dem Ergebnis: Die Serie war besser, als viele erwartet hatten.
Letztlich wurde das Projekt mit der Einigung im Rechtsstreit beendet. Die drei ??? kehrten offiziell zurück – und DiE DR3i verschwand genauso schnell, wie sie gekommen waren. Die Serie wurde nie weitergeführt, bleibt aber bis heute ein faszinierendes Nebenuniversum für Kenner und Sammler. Originale CDs erzielen teils hohe Preise, und das Interesse an dieser kurzen, aber bemerkenswerten Reihe ist ungebrochen.
Der Abschied von DiE DR3i war kein Knall, sondern ein leiser, charmant inszenierter Abgang – mit einem Augenzwinkern in Richtung der Fans. Zum endgültigen Ende der Serie veröffentlichte Oliver Rohrbecks Lauscherlounge ein kostenloses Minihörspiel, das Justus Jonas und Jupiter Jones aufeinander treffen ließ. In der kurzen, humorvollen Szene erhält Justus, der altbekannte Erste Detektiv aus Rocky Beach, einen rätselhaften Anruf. Am anderen Ende der Leitung: ein merkwürdiger Typ namens Jupiter – ebenfalls Detektiv, ebenfalls mit zwei Freunden unterwegs, aber mit irgendwie... anderen Namen.
Jupiter erzählt von gemeinsamen Erlebnissen, seltsamen Fällen und einem Büro, das ihm nicht mehr zu gehören scheint. Er wolle es Justus zurückgeben, sagt er. Justus hingegen versteht zunächst nicht, was hier eigentlich passiert, aber sein detektivischer Spürsinn schlägt an: Das könnte ein neuer Fall für Die drei ??? sein. Die Idee zu diesem Minihörspiel stammt von Katrin Wiegand und wurde am 2. April 2008 als Download veröffentlicht – ein symbolisches, liebevoll produziertes Finale, das den Übergang von DiE DR3i zurück zu Die drei ??? einläutete.
Mit diesem kleinen Stück Hörspielgeschichte schloss sich der Kreis. Jupiter Jones verabschiedete sich, Justus Jonas kehrte zurück. Und obwohl beide Stimmen dieselbe waren, wusste jeder Hörer genau: Jetzt ist alles wieder wie früher.
Was bleibt von DiE DR3i, ist mehr als ein Lückenfüller. Die Serie bewies, dass gute Sprecher, starke Geschichten und professionelle Produktion auch jenseits einer etablierten Marke funktionieren können. Für manche ist sie ein Stück Hörspielgeschichte, das zeigt, was passiert, wenn kreative Köpfe gezwungen sind, umzudenken – und dabei etwas Eigenes schaffen. DiE DR3i ist Kult auf Zeit – aber genau deshalb so spannend.