Wie viel Autor steckt im Hörspiel?

  • Bei einigen Hörspielen, die ich mir so anhöre, frage ich mich des Öfteren wie viel der Persönlichkeit, der Vorlieben, der Ansichten, der Meinungen, des Geschmacks, der Wünsche, Erlebnisse und weitere persönliche Dinge eines Autoren stecken denn so in einem Hörspiel? Ist alles komplett erfunden? Oder gibt man da als Autor manchmal mehr Preis als einem lieb ist? Hat manches durchaus autobiographische Züge?

    Wie sieht dies der Hörspielfan? Wie sehen dies unsere zahlreichen Autoren an Board? Möchte man was Preis geben? Passiert es einfach? Ist es sogar sehr nützlich hier auf eigenes zurück greifen zu können? Und möchte der Hörer auf diesem Wege etwas über den Autoren erfahren? Ist es überhaupt fair Rückschlüsse auf den Autoren zu ziehen, weil es ja letztlich doch Fiktion ist oder sein könnte?

    Wie seht ihr das?

    Wie Akita Takeo richtig über den Hörspieltalk von morgen schrieb:

    Solange es Leute wie uns drei gibt und wir hier schreiben, bleibt es hoffentlich bestehen. Noch lange! #top#

  • Kommt drauf an. Bei Blood Red Sandman habe ich reale Alpträume verarbeitet, bei MIG habe ich schon mal lustige Anekdoten aus meinem Leben reingeschrieben. MIG Monsterparty entstand in der Zeit als meine Große diese Phase hatte wo sie überall Monster sah. Die Prüfung ist rein fiktiv, wobei ich mich immer fragte wie würde ich reagieren, wie würde ich jetzt mit meinem Kind sprechen usw..

    Ich denke man kann durchaus über den Autoren etwas erfahren wenn man seine Werke hört. Man gibt ja oft eigene Erfahrungen wieder, entweder ein Erlebnis oder halt die Art wie die Charaktere reden. Man geht ja immer davon aus, wie würde ich das jetzt sagen...

    Edited once, last by Wolfy-Office (September 23, 2021 at 9:53 AM).

  • Da ich (bisher) nur Krimis schreibe, muss ich leider enttäuschen: Weder löse ich im realen Leben Verbrechen noch begehe ich welche. ;)

    Allerdings habe ich durchaus auch schon mal krimigeeignete Situation aus meinen Träumen in eine Geschichte eingebaut. Und auch so wie ich Pater Brown schreibe, liegt er mir in der christlichen Weltsicht durchaus recht nahe.

    "Was sagt man darüber, wie man Bücher schreibt? Man denkt sich etwas aus und zwingt sich, es aufzuschreiben."

    Ariadne Oliver, Poirot: Wiedersehen mit Mrs. Oliver

  • Viele Autoren beschreiben vielleicht auch ihre Lebensträume oder verarbeiten ihre Ängste in den Geschichten, also Dinge, die sich nicht zwingend erlebt haben, aber die trotzdem tief in ihnen verankert sind und somit mehr als "nur" bloße Fantasie und Einfallsreichtum ausmachen. Bei Gruselhörspielen beispielsweise könnte ich mir vorstellen, dass manche ihre "Ur-Ängste" ans Licht bringen und somit verarbeiten. Die meisten empfinden allerdings wahrscheinlich eher eine Faszination für scheinbar unerklärbare Begebenheiten oder alten Spukgeschichten.
    Bei Storys aus dem Abenteuergenre steckt oft eine Sehnsucht nach Spannung und Abwechslung vom eigenen Leben mit drin. Ein Abenteuer und eine Flucht aus dem eintönigen Alltag möchten wohl viele mal erleben, also schreiben sie darüber. Für einen Autoren, der mit Leib und Seele beim Schreiben dabei ist, ist es dann fast schon so, als hätte er es selbst erlebt (was jetzt aber nicht heißen soll, dass Autoren, die Buch und Leben strikt trennen und nach dem Schreiben sofort umschalten können, weniger gut oder leidenschaftlich sind).
    Manche Psycho-Thriller sind ja auch für den Autoren eine Belastung, weil er sich (zumindest manchmal) auch mit wahren Begebenheiten und/oder Erscheinungsmerkmalen einer psychischen Krankheit auseinandersetzt, somit also Realität (wenn auch im Normalfall nicht seine eigene) und Fiktion miteinander vermischt.
    Wenn ich Autorin wäre, würde ich sicherlich ab und an mal eine interressante oder witzige Begebenheit aus meinem Leben einbauen, da manche Ereignisse der Realität oft verrückter sind als jede Geschichte.
    Außerdem fließen in aller Regel auch politische oder religiöse Ansichten des Schreibers mit ein. Jemand, der ein Gegner von beispielsweise Rechtsextremismus ist, wird wohl kaum einen Roman über einen Rechten als Hauptfigur/Helden schreiben und diesen ernst gemeint im guten Licht stehen lassen.

  • Bei einigen Hörspielen, die ich mir so anhöre, frage ich mich des Öfteren wie viel der Persönlichkeit, der Vorlieben, der Ansichten, der Meinungen, des Geschmacks, der Wünsche, Erlebnisse und weitere persönliche Dinge eines Autoren stecken denn so…


    Tja, das ist mal so und auch mal anders. Einige Geschichten, die ich so fabriziere, sind einfach entstanden, wie ich durch irgendetwas inspiriert wurde. Bei anderen gibt es durch aus persönliche Bezüge. Für letztes würde ich mal folgenden Titel nennen:

    Holmes & Watson Mysterys 07 – Das Dorf der Sünder (das Thema religiöser Fanatismus beschäftigt mich immer mal wieder - meist mit zunehmendem Unverständnis)
    Holmes & Watson Mysterys 18 – Der wahnsinnige Mr Aberdeen (ist noch nicht erschienen - hier war ein Alptraum Grundlage - in eine Nervenklinik eingewiesen zu werden, obwohl man gesund ist)
    Utopia 04 – Mission Weltherrschaft, Utopia 06 – Entscheidung in Down Under - hier spielen religiöser Fanatismus und Rassismus eine Rolle (beides lehne ich ab)

    Also ab und an verarbeite ich durchaus meine einigen Ansichten/Albträume/Unverständnisse. Aber nicht immer und auch nicht erzwungenermaßen. Es muss sich anbieten und ich muss auch dazu in der Stimmung sein. Schließlich will ich auch nicht als Autor der erhobenen Zeigefingers wahrgenommen werden. Ab und zu ist das ok, aber halt dosiert.

    “Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.” – Erich Kästner / “Kindern erzählt man Geschichten, damit sie einschlafen – Erwachsenen, damit sie aufwachen.” – Jorge Bucay
    --- https://www.wortwelten.info ---

  • Naja, ich sehe als Autor meine (selbst nichtkommerziell hergestellten) Hörspiele, offen gestanden, auch als eine Art "U-Boot", meine Sichten, Haltungen, Entfremdungen etc. zu transportieren, mitzuteilen. Wenn ich Vieles, was mich umtreibt, zB 1:1 ins Facebook schreiben würde, würden garantiert postwendend irgendwelche Trolle über mich herfallen. Als Hörspiel erspart man sich dieses Publikum.
    Andererseits sehe ich mich nicht irgendwie als Prediger, Verbreiter einer Message, sondern es ist auch gut, wenn sich Zuhörende an den Stücken reiben.
    Ich will mit den Stücken ja auch zeigen, dass man sich auch entspannt und mit Humor Problemen zuwenden kann, die sonst oft nur unter Schnappatmung heftig debattiert werden.
    Das Hörspiel ist für mich ganz klar auch eine Botschaft, die sich aber dem Vorsatz, unterhalten zu wollen, schon unterordnet.
    Mir tut es am Ende gut, dass meine Verarbeitung der Wirklichkeit durch das Hörspiel in der Welt ist. Ob es jemanden berührt oder doch kalt lässt. Aber ich habe es rausgelassen.

  • Vielen Dank für eure bisherigen Postings #top# Ich selbst stelle es mir recht schwierig vor die eigene Biographie vom Hörspiel komplett zu trennen. Es hängt wahrscheinlich auch vom Thema ab und wie hochgradig fiktiv das Ganze ist. Ich würde in eine Geschichte sicherlich etwas von mir Preis geben. Alleine schon durch die Wahl der Orte. Stephen King lässt ja fast alles nahe seines Geburtsortes spielen.

    Wie Akita Takeo richtig über den Hörspieltalk von morgen schrieb:

    Solange es Leute wie uns drei gibt und wir hier schreiben, bleibt es hoffentlich bestehen. Noch lange! #top#

  • Ich bringe in meinen Geschichten oft etwas aus meinem Alltag rein. Sei es das Kabbelgespräch der Geschwister in "Pellworms kleine Leichen", das "Fachwissen" über Zeitungsausträger in "Während die Welt noch schläft", oder die Nerd-Gespräche im "Glücksdrachentattoo". Alles erlebt oder zumindest erzählt bekommen (wie der Kriminalfall in "Tödliches Langeoog").

  • @Markus G. -

    Ich möchte die Frage mal umdrehen, was glaubst Du über einen Autoren heraus zu finden oder zu erfahren, dessen Hörspiel Du hörst?

    Nehmen wir mal als Beispiel, unsere Hörspielreihe Timeshift. Gerne auch in einem eigenen Threat.
    Was glaubst Du über unseren Autoren heraus zu finden und zu erfahren?

    :)

  • Quote

    was glaubst Du über einen Autoren heraus zu finden oder zu erfahren, dessen Hörspiel Du hörst?

    Spannende Frage, gerade wenn man an bekannte Autoren wie Stephen King, Sebastian Fitzek oder auch Ivar Leon Menger denkt. Was kann man hier heraus hören? Ich denke auf jeden Fall die Vorliebe für bestimmte Genre, Geschichten, Situationen aber auch Orte. Die werden einem auf jeden Fall bewusst. So manches Faible wird einem klar. Dass sich zum Beispiel Hörspiel-Autor @Ascan von Bargen mit Religion intensiv auseinander setzt und dessen Ansichten in dem einen oder anderen Hörspiel aufblitzen, weiß man nicht erst seit dem man seine sehr langen Ausführungen zu diesem Thema im Hörspieltalk lesen konnte. Das ahnt man bereits beim Lesen. Es gäbe hier sicherlich bei einigen Autoren für mich ganz offensichtliche Vorlieben zu bemerken. Trotzdem darf man nicht zu offen auf Grund von Vorlieben auf der einen Seite auf Charakterzüge, Einstellungen und Werte auf der anderen Seite schliessen. Ich denke ein sehr guter Autor kann sehr gut zwischen Realität und Fiktion mischen und sich beim Schreiben auch eine Maske für eine andere Persönlichkeit aufsetzen und einfach nur so tun jemand anderer zu sein.

    Wie Akita Takeo richtig über den Hörspieltalk von morgen schrieb:

    Solange es Leute wie uns drei gibt und wir hier schreiben, bleibt es hoffentlich bestehen. Noch lange! #top#

  • Also ich als Autor gebe auf jeden Fall persönliche Wünsche, Vorlieben oder Erfahrungen mit in meine Geschichten. Da dann tatsächlich eher in Form der Figuren bzw. deren zwischenmenschlichen Handlungen. Ich persönlich lege da immer sehr viel Wert drauf, dass auch ich mich in den Personen wiederfinden kann. Ich wäre nicht gerne mit jedem "befreundet", aber viele Figuren stehen mir schon nah. Dazu kommt, dass ich mich manchmal auch von Familienmitgliedern und Freunden für Charakterzüge oder auch Namen inspirieren lasse und diese sich dann in der Geschichte wiederfinden. Also schon sehr persönlich, wenn auch eher nur für mich erkennbar. :)

    Die Ideen der Geschichten selbst entstehen in unterschiedlichen Momenten. Gerade im Bereich Mystery/Grusel (den ich sehr liebe) kommen mir quasi viele Ideen im Schlaf und auch Ängste/Situationen aus meiner Vergangenheit sind durchaus Bestandteil. Die Inspiration kommt aber durch so viele Ebenen (egal in welchem Genre). Es kann mal ein flüchtiger Satz aus einem Film sein, eine Unterhaltung oder nur ein Bild, welches sofort bestimmte Szenen in mir weckt. Bei mir ist es ja auch so, dass es IMMER zuerst einen Titel gibt. Anhand dessen leite ich meine Geschichte ab, da sie durch den Titel schon fest in meinem Kopf als Film abläuft. Das persönliche Empfinden und das Einbringen privater Momente sind also durchaus oft Bestandteil meiner Arbeit. :)

  • Interessant. Soweit ich mich jetzt spontan erinnere gab es bei mir noch nie zuerst den Titel. Geht bei mir in der Regel immer von Handlungen, Situationen, Plot Points aus.

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    Ariadne Oliver, Poirot: Wiedersehen mit Mrs. Oliver

  • Zitat: Bei mir ist es ja auch so, dass es IMMER zuerst einen Titel gibt.

    Haha <img src="https://www.hoerspieltalk.de/wcf/images/smilies/biggrin.png" alt=":D" /> , das ist bei mir zwar auch so, aber in 50 % der Fälle werden meine Titel nicht genommen oder zumindest abgewandelt. <img src="https://www.hoerspieltalk.de/wcf/images/smilies/tongue.png" alt=":P" />

    So viel ist ja "noch" nicht von mir erschienen, aber bisher meine ich, blieb alles so. Hab aber sicherlich auch weniger Output als du. ;) Ändert aber nichts daran, dass ich (wie du) die Geschichte mit dem Titel anfange. ;) Dachte immer ich wäre der Einzige mit der Methode. :)

  • Dachte immer ich wäre der Einzige mit der Methode.


    Ascan von Bargen beginnt auch mit dem Titel.

    Wie man ein verdammt gutes Hörspiel schreibt - Teil 1 - Hörspiel-Kolumne - Hörspieltalk (hoerspieltalk.de)

    Ich bin hier im Moment die Ausnahme und der Einzelfall. ;)

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  • Zitat: Bei mir ist es ja auch so, dass es IMMER zuerst einen Titel gibt.

    Das ist wirklich sehr interressant! In der Schule bekommt man (vor Seminararbeiten) immer eingebläut, dass man erst schreiben und dann erst sich über den Titel Gedanken machen soll. Das finde ich irgendwie auch seltsam, weil der Titel für mich immer der erste Schritt, die erste Hürde ist. Sobald man den Aufhänger hat, kann man meiner Meinung erst so richtig loslegen, abändern kann man ja notfalls später immer noch. Deswegen gilt auch für mich-Titel zuerst und dann geht´s weiter ^^ .

  • Sobald man den Aufhänger hat, kann man meiner Meinung erst so richtig loslegen, abändern kann man ja notfalls später immer noch.

    Also mit einem Aufhänger (Situation/Twist/Verbrechen/Setting/Charakter/etc.) fange ich auch stets an. Allerdings verbinde ich das nicht zwingend sofort mit einem Titel.

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  • Zitat von Tolkien: „Zitat: Bei mir ist es ja auch so, dass es IMMER zuerst einen Titel gibt.“

    Das ist wirklich sehr interressant! In der Schule bekommt man (vor Seminararbeiten) immer eingebläut, dass man erst schreiben und dann erst sich über den…

    Wohl wahr. Fand ich immer furchtbar. Ich kann es schlecht beschreiben, aber sobald ich eine Idee hab kommt der Titel und in diesem Titel hab ich quasi im Kopf schon grobe Abläufe, Handlungen oder Personen verortet. Sodass nach dem Titel die grobe Personenübersicht folgt und dann geht es auch schon in die Handlung. ;)

  • Zitat von Tolkien: „Zitat: Bei mir ist es ja auch so, dass es IMMER zuerst einen Titel gibt.“

    Das ist wirklich sehr interressant! In der Schule bekommt man (vor Seminararbeiten) immer eingebläut, dass man erst schreiben und dann erst sich über den…

    ?( Jetzt sieht es so aus, als wenn das Zitat von mir stammen würde, dabei habe ich ja auch nur zitiert. Egal. Der Titel ist manchmal auch nur ein Arbeitstitel. Lustigerweise werden gut 50% meiner Titel nicht verwendet, sondern hinterher vom Produzenten verändert. :D

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