Mein Blick zurück führt mich diesmal weit, weit in meine Kassettenkinderzeit. Es ist kaum zu glauben, aber zu Beginn meiner Hörspielleidenschaft war ich ein sehr großer Karl May Fan, der sämtliche Puppen, Plastikwaffen und natürlich Hörspiele besaß, die man sich vorstellen konnte. Und eine meiner ersten Karl May Hörspiele war neben dem "Schatz im Silbersee" OLD SHATTERHAND. Eine Mini-Serie aus dem Jahre 1975, die sich über 2 Folgen spannte.
OLD SHATTERHAND I
In der ersten Folge lernen sich der ältliche Westernheld Seans Ear, der mit bürgerlichem Name Mark Jorrocks heißt, und Old Shatterhand kennen. Wie es das Schicksal so wollte, sah Sans Ear, der Mann ohne Ohren, in dem jungen Mann, einen "Bookmaker" und "Greenhorn" und keinen erfahrenen Westmann. Doch Charly, wie Old Shatterhand mit Vornamen heißt, hat "handfeste" Argumente ihm zu beweisen, dass er alles andere als ein Grünschnabel ist. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg um den Fred Morgan, der Mörder von Mark Jorrocks Frau und Kind zu finden. Dabei machen sie mit den Ogelallahs und mit der Wüste Bekanntschaft. Doch auch in ausweglosen Situationen weiß Old Shatterhand immer Rat.
Als Fan von Old Shatterhand und Winnetou habe ich diese Mini-Serie besonders geliebt. Auch heute noch, fast 40 Jahre nach meinem ersten Hören, gab es Passagen, die ich auswendig mit sprechen kann. Besonders beeindruckend war für mich die Szene in der Wüste als sich Sans Ear, gesprochen vom wunderbaren Franz Josef Steffens, im Monolog bereits mit seinem Tod abfindet. Heinz Trixner gibt einen wunderbaren Old Shatterhand ab, dem ich als Kind an den Lippen hing und jeden Satz von ihm förmlich aufsog. Aber die wirklich beeindruckendste Sprachleistung bietet Erzähler Horst Breitner. Er schafft es mit wenigen Worten aber sehr viel Gefühl in seiner Stimme, die Savanne, die Wüste oder das Abendrot vor meinem geistigen Auge entstehen zu lassen. Dies passiert zumeist in Kombination mit wunderbarer Musik, die auch Jahre nach dem Hören noch für ein tolles Bild in mir sorgen.
OLD SHATTERHAND II
In der zweiten Folge haben sich nun auch Bernhard Marshal und sein schwarzer Diener Marshal zu Old Shatterhand und Sans Ear gesellt. Bösewichte wie der Captain, Hoblyn oder Holfert werden besiegt. Doch Patrick und Fred Morgan können ihnen immer wieder entkommen. Im Laufe der Folge 2 treffen sie Winnetou, den Häuptling der Apatschen. Und am Ende siegt, wie sollte es anders sein, das Gute über das Böse. Doch mehr möchte ich nicht über den Inhalt verraten.
Folge 2 bietet alles was mein kindliches Western-Herz sich wünscht. Auch wenn manches aus heutiger Sicht politisch nicht korrekt klingt, die Rache als legitimes Mittel erscheint um das Böse zu besiegen und das Ende doch recht martialisch daher kommt, so hat es für mich nach all den Jahren immer noch eine große Wirkung auf mich. Sprechergrößen wie Konrad Halver, Peter Kirchberger, Wolfgang Kieling oder Hans Paetsch machen diese Folge samt seinem Finale für mein persönliches EUROPA Western Highlight. Und einmal mehr möchte ich die stimmungsvolle Musik und Horst Breiter als Erzähler besonders hervorheben, die wunderschöne Bilder in mir erzeugen und meine Phantasie richtig Nahrung geben können.
Meine Westernbegeisterung ist irgendwo Anfang der 80iger zugunsten Grusel, Horror und Krimi stecken geblieben. Aber diese alten EUROPA-Westernhörspiele haben für mich nichts von ihrem damaligen Reiz verloren. Im Gegenteil, nach diesem Hören habe ich erst recht Lust bekommen, mir auch meine anderen Westernhörspiele zugegebener Zeit wieder anzuhören. Wer reitet noch mit mir in den Sonnenuntergang?